Atmung: der schnellste und einfachste Weg zur Entspannung

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Richard Staudner

Der Optimizer

Atmen. Du tust es jetzt gerade in dieser Sekunde und musst dich dabei noch nicht mal groß anstrengen, denn dein Körper steuert die Atmung (meistens) von ganz alleine. Sind wir entspannt in einer Yogastunde, dann atmen wir mit Sicherheit entspannter und tiefer, als bei einem Meeting mit einem tobenden Chef, wo der Atem möglicherweise stockt oder wegbleibt.

In unserer hektischen Welt, in der Stress ein allgegenwärtiges Phänomen ist, bleibt die Atmung oft eine unterschätzte, aber mächtige Ressource für Stressmanagement und Entspannung. Dieser Artikel beleuchtet, wie bewusste Atemtechniken als einfache, doch wirkungsvolle Werkzeuge zur Reduzierung von Stress eingesetzt werden können. Mit einfachen Übungen, die überall und jederzeit anwendbar sind, lernen wir, die Kontrolle über unsere Emotionen zurückzugewinnen – und damit einen Zustand tiefer innerer Ruhe zu erschließen. 

There’s no business like show business

Angst zählt zu den intensivsten und herausforderndsten Emotionen, denen wir im Alltagsleben begegnen. Besonders für Personen, die öffentlich im Rampenlicht stehen, kann Angst einerseits belasten, aber auch zu Spitzenleistungen motivieren.

Forschungen offenbaren diverse Interventionsmethoden, um Ängste, etwa vor Auftritten, zu bewältigen. Eine effektive Methode ist die Atemkontrolle. Laut einer Studie aus dem Jahr 2012 gehört gezieltes Atmen zu den wirkungsvollsten Ansätzen bei Angst. Die Studienautoren betonen, dass besonders kontrolliertes, langsames Atmen bei starkem Angstniveau hilfreich ist. Zudem ist diese Technik kostenlos und zeitsparend. Schon mit wenigen Minuten vor einem Auftritt kann man signifikante Effekte erzielen. [1]

Atemübungen sind im Entertainment-Bereich, besonders bei Sänger:innen, ein wesentliches Werkzeug, um ihre Stimmkontrolle zu verbessern. Zum Beispiel können sie damit den Tonumfang erweitern und die Stimmkraft erhöhen. Durch gezieltes Atmen können sie die Qualität ihres Gesangs optimieren und längere Phrasen ohne Atemnot bewältigen. Atemübungen helfen auch, die Stimmbänder zu entspannen und Stress abzubauen, was besonders vor Auftritten wichtig ist.

Diese Techniken sind einerseits unerlässlich für eine dauerhafte Gesangskarriere und zur Vermeidung stimmlicher Verletzungen. Andererseits fördern sie, bewusst oder unbewusst, das Entspannungsniveau vor wichtigen Proben oder Auftritten.

Mit der Atmung auf Angst und Stress Einfluß nehmen

Um zu verstehen, wie Atmung Stress beeinflussen kann, ist es wichtig, die Verbindung zwischen Atmung und unserem Nervensystem zu erkennen.

Wie wir bereits wissen, aktiviert Stress, beispielsweise vor einem Auftritt, das sympathische Nervensystem, das unseren Körper in den „Kampf-oder-Flucht“-Modus versetzt. Dies führt zu einer schnelleren Atmung, einem erhöhten Herzschlag und angespannter Muskulatur. Dieses beklemmende und einengende Gefühl kennen viele von uns aus dem Alltag. Einerseits ist dies ganz normal, zumindest wenn wir es biologisch und evolutionär betrachtet. Unser Körper versucht, uns damit in eine Alarmbereitschaft zu versetzen und auf drohende Gefahr vorzubereiten. 

Das Problem an diesem Konzept ist aber, dass wir heute viel zu lange in diesem Zustand verharren, ohne dass eine echte Bedrohung erscheint. Unser Körper kann ohne das Erlangen dieses Höhepunktes nicht mehr runterschalten und bleibt länger als notwendig im angespannten Sicherheitsmodus. Betroffene Menschen verbringen somit zu viel Zeit in der gestressten Sympathikusaktivität und zu wenig in der entspannten Parasympathikus-Modus. Diesen Modus kennen wir als “Rest-and-Digest”-Modus.

Der Einfluss auf das ANS

Laut traditioneller Schulmedizin ist die Kontrolle über das autonome Nervensystem, welches diesen Wechsel veranlasst, weitgehend unbewusst, und der Mensch kann nicht willentlich zwischen Sympathikus und Parasympathikus wechseln. Neuere Forschungen und Praktiken wie Atemübungen, Meditation und Biofeedback zeigen, dass wir einen gewissen Einfluss auf unser ANS ausüben und dadurch Aspekte wie Stressreaktionen und Entspannungszustände modulieren können.
Diese Fähigkeit zur Beeinflussung, wenn auch begrenzt, eröffnet neue Perspektiven für das Stressmanagement und das allgemeine Wohlbefinden.

Spezielle Atemübungen stimulieren das parasympathische Nervensystem, das für Entspannung und Erholung zuständig ist, und helfen so, den Körper wieder in einen Zustand der Ruhe und des Gleichgewichts zu bringen. Tiefe Atmung ist eine der effektivsten Methoden, um den Körper zu beruhigen und den Geist zu entspannen.

Im Gegensatz zu flacher Atmung, die in stressigen Situationen üblich ist, fördert tiefe Atmung eine vollständige Sauerstoffversorgung des Körpers und führt zu einer Reduzierung der Stresshormone im Blut. Und hier zeigt sich, dass wir sehr wohl bis zu einem gewissen Grad auf diesen Wechsel der Nervensysteme einwirken können. 

Seufzen für mehr Entspannung

In einer Studie der Stanford University wurde die Wirkung von Atemübungen auf Stimmung und Gedanken untersucht. 108 Teilnehmer:innen praktizierten täglich verschiedene Atemtechniken oder Meditation. Die Ergebnisse zeigten, dass Atemübungen, insbesondere die Seufzer-Atmung, die Stimmung signifikant verbesserten und negative Gedanken sowie Ängste reduzierten. Dabei wurde festgestellt, dass die Atemfrequenz durch die Übungen gesenkt wurde, was auf einen kumulativen positiven Effekt bei regelmäßiger Praxis hinweist. [2]

Unsere Atmung gibt uns eine direkte Möglichkeit, unsere autonomen Reaktionen zu beeinflussen, sagt Stanford Professor und Studienautor Dr. Andre Huberman. Unsere Atemmuster haben einen starken Einfluss auf unser Stresslevel. Es gibt Beobachtungen, dass Menschen und Tiere in Stresssituationen, wie während des Schlafs oder in beengten Räumen, sogenannte physiologische Seufzer zeigen. Diese bestehen aus einem doppelten Einatmen, gefolgt von einem langen Ausatmen, ähnlich dem Schluchzen bei Kindern. Das Ausführen von zwei oder drei dieser physiologischen Seufzer stellt den effektivsten bekannten Weg dar, um die autonome Erregung schnell auf ein normales Niveau zu senken. 

Gibt es eine perfekte Atemfrequenz? 

Laut einer Studie aus dem Jahr 2014 gibt es sogar die perfekte Atemfrequenz. [1] Diese soll bei 5,5 Atemzüge pro Minute liegen, mit jeweils 5,5 Sekunden für das Ein- und 5,5 Sekunden für das Ausatmen – aber keine Sorge, wir brauchen dafür keine Stoppuhr. Etwa 5 bis 6 Atemzüge pro Minute scheinen das Optimum für Entspannung und Stressabbau zu sein. Gemessen wird diese positive Veränderung anhand der Herzratenvariabilität (HRV), die Schwankungen in den Zeitintervallen zwischen Herzschlägen anzeigt.
Eine höhere HRV ist ein Indikator für Entspannung und Widerstandsfähigkeit gegen Stress. Langsames, tiefes Atmen in diesem Rhythmus stimuliert den Vagusnerv, der das parasympathische Nervensystem aktiviert. Wie wir bereits wissen, werden wir dadurch ruhiger und können uns erholen.

Gezielte Entspannung mit der 4-7-8-Atemtechnik

Ein modernes Beispiel für eine erprobte Atemtechnik ist die 4-7-8-Atmung, entwickelt von Dr. Andrew Weil. Sie ist eine einfache, beliebte Methode und nahezu überall einsetzbar. Durch das bewusste Verlängern des Atemzyklus – vier Sekunden einatmen, sieben Sekunden den Atem anhalten und acht Sekunden ausatmen – wird der Körper dazu angeregt, sich zu entspannen und zu beruhigen. Diese Technik ist besonders effektiv, um den Geist zu beruhigen, Stress abzubauen und die Schlafqualität zu verbessern.

Um die Vorteile einer Atemübung wie dieser voll auszuschöpfen, ist es wichtig, sie regelmäßig in den Alltag zu integrieren. Starte gerne mit kurzen Sitzungen von drei Minuten und steigere allmählich die Dauer – ob am Morgen, um den Tag ruhig zu beginnen, oder abends, um sich zu entspannen – die regelmäßige Praxis kann Wunder wirken. Auch zwischendurch, zum Beispiel im Büro, kann eine kurze Atemübung den Alltagsstress abschütteln. 

Pranayama-Atmung für mehr körperliches Wohlbefinden

Im Jahr 2006 veröffentlichte ein Team an Wissenschaftlern des Augusta Women’s Center in den USA eine Studie über die Wirkung der Pranayama Atmung. Pranayama zählt zu den ältesten aus indischen Schriften überlieferten Atemtechniken. [9] Es ist ein Begriff aus der Sanskrit-Sprache, der sich aus zwei Elementen zusammensetzt: „Prana“ und „Ayama“. „Prana“ steht für die vitale Lebenskraft, die jedes Wesen und jede Materie durchdringt und ist vergleichbar mit dem „Chi“ oder „Qi“ in anderen Kulturkreisen. „Ayama“ bedeutet im wörtlichen Sinne ‚Ausdehnung‘ oder ‚Erweiterung‘. 

Die Ergebnisse der Studie sind ziemlich spannend. Die Pranayama-Atmung, eine im Yoga praktizierte Atemtechnik, hat sich als bemerkenswert effektiv erwiesen und bringt eine Reihe von gesundheitlichen Vorteilen mit sich. Sie führt nachweislich zu einem reduzierten Sauerstoffverbrauch, einer Senkung der Herzfrequenz und zu niedrigem Blutdruck. Zudem steigert sie die Aktivität des Parasympathikus, des Teils des Nervensystems, der für Entspannung und Erholung zuständig ist. [9]

Interessanterweise zeigen EEG-Aufzeichnungen, dass während der Pranayama-Atmung die Amplitude der Theta-Wellen im Gehirn erhöht ist. Diese Wellen, die typischerweise in einem Frequenzbereich von 4 bis 8 Hz auftreten, werden häufig mit Zuständen wie Entspannung, Kreativität und leichten Schlafphasen in Verbindung gebracht. In wachem Zustand sind sie oft ein Indikator für tiefe Meditation oder intensive mentale Anstrengung.

Pranayama hilft die Stimmung zu regulieren

Trotz ihrer entspannenden Wirkung wird berichtet, dass die Pranayama-Atmung auch belebend wirken kann, was sie zu einer faszinierenden und vielseitigen Praxis im Bereich der Gesundheitsförderung und des Wohlbefindens macht.

Dieser Ansatz legt nahe, dass Pranayama und auch andere Atemtechniken aus dem Yoga bei Verstimmungen, Burn Out und Depressionen helfen können. Dies belegen auch Studien, wie die einer Forschergruppe aus den USA, die zeigen konnten, dass beispielsweise kohärente, also harmonische und ausgeglichene Atmung, selbst bei schweren depressiven Störungen unterstützend wirken kann. [6]
Aber es gibt unzählige verschiedene Möglichkeiten, die Atmung zu trainieren und jeder Mensch findet wahrscheinlich die für ihn passende Version. 

Blutdruck regulieren durch die Atmung? 

Es gibt aber noch eine weitere spannende Systematik in unserem Körper, bei der Atemübungen uns helfen können. Die Rede ist von dem Baroreflex-System. Der Baroreflex ist ein lebenswichtiger Mechanismus, der den Blood pressure reguliert. Dies wird hauptsächlich durch Barorezeptoren gesteuert, die sich in den Wänden von Blutgefäßen befinden, insbesondere in der Halsschlagader (Karotisarterie) und im Aortenbogen. Diese Rezeptoren sind empfindlich für Veränderungen des Blutdrucks und senden entsprechende Signale an das Gehirn, insbesondere an das Kreislaufzentrum im verlängerten Rückenmark (Medulla oblongata), welches dann die Herzfrequenz und die Weite der Blutgefäße reguliert, um den Blutdruck zu stabilisieren.
Bei erhöhtem Blutdruck erkennen Sensoren in den Arterien diese Veränderung und senden Signale an das Gehirn, das daraufhin die Herzfrequenz reduziert und die Blutgefäße erweitert, um den Blood pressure zu senken.

Im Gegensatz dazu, wenn der Blutdruck fällt, signalisieren die Sensoren dem Gehirn, die Herzfrequenz zu erhöhen und die Blutgefäße zu verengen, wodurch der Blutdruck angehoben und stabilisiert wird. Ein gut funktionierender Baroreflex ist wichtig für die kardiovaskuläre Gesundheit und kann durch Atemübungen positiv beeinflusst werden.
Das langsame, tiefe Atmen fördert die Baroreflex-Sensitivität, was wiederum zu einer verbesserten Herzgesundheit beiträgt. Also lassen sich tatsächlich durch gezielte Atemübungen sogar unsere Blutdruckwerte optimieren.

Herzinsuffizienz mit dem richtigen Atmen bekämpfen 

Herzinsuffizienz ist oft mit reduzierter Lungenfunktion und eingeschränkter körperlicher Leistungsfähigkeit verbunden. Eine Studie aus dem Jahr 2015 zeigt, dass Atemübungen und Inspirationsmuskeltraining (aus dem Englischen: Inspiratory Muscle Training = IMT) hier sehr hilfreich sein können. Dieses Training, bei dem spezielle Geräte genutzt werden, um Widerstand gegen die Einatmung zu erzeugen, stärkt das Zwerchfell und die interkostalen Muskeln. Die Folge ist eine verbesserte Belüftung der Lunge, was wiederum die körperliche Leistung und viele Symptome der Herzinsuffizienz positiv beeinflusst, die Lebensqualität der Betroffenen erhöht und die Lungenfunktion verbessert. [17]

In einer aktuellen und bahnbrechenden Studie aus dem Jahr 2022, einer Kooperation zwischen irischen und ägyptischen Forschern, wurde ein bisher oft übersehener Aspekt in der Kardiologie beleuchtet. Die Studie mit dem aufschlussreichen Titel „Der Elefant im Raum der kardiologischen Rehabilitation bei Herzinsuffizienz“ verwendet diese Metapher, um auf ein wichtiges, aber bislang vollkommen ignoriertes Problem in der Behandlung von Herzinsuffizienz aufmerksam zu machen. Sie zeigt auf, dass Atemübungen eine wichtige Rolle bei der Behandlung von chronischer Herzinsuffizienz (CHF) spielen sollten, ein Aspekt, der bisher oft übersehen wurde. [18]

In dieser Studie wurden 40 Patienten mit CHF in zwei Gruppen aufgeteilt: Eine erhielt ein Standard-Rehabilitationsprogramm mit zusätzlichen Atemübungen, die andere nur das Standardprogramm. Die Atemübungen umfassten Inspirationsmuskeltraining und Atemgymnastik, die sechsmal pro Woche für 15–25 Minuten durchgeführt wurden. Nach 12 Wochen zeigte die Gruppe mit den Atemübungen signifikante Verbesserungen in den respiratorischen, kardiovaskulären und kardiopulmonalen Funktionen. Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung eines patientenzentrierten Ansatzes in der Rehabilitation von CHF-Patienten, bei dem Atemübungen eine zentrale Rolle spielen.

Atemübungen helfen auch beim Schlaf

Auch Schlaf ist ein wesentlicher Faktor für die Rehabilitation und allgemeine Gesundheit, insbesondere bei Herzinsuffizienz. Eine Studie aus dem Jahr 2017 zeigt auf, dass betroffene Patientengruppen, die in speziellen Atemtechniken unterrichtet wurden, eine Reduktion der Atemnot und eine spürbare Verbesserung des Schlafs erfuhren. Das gezielte Einbeziehen dieser Übungen kann also nicht nur die Symptomatik lindern, sondern auch die allgemeine Lebensqualität der Betroffenen maßgeblich verbessern. Diese Studienergebnisse unterstreichen die Bedeutung von Atemübungen als integralen Bestandteil des Behandlungsplans für Herzinsuffizienz. [19]

Daraus können wir aber auch ableiten, dass wir Atemtraining als wertvolles Instrument in der Gesundheitsprävention anerkennen sollten. Atemtechniken können ein Schlüsselelement zur Förderung der allgemeinen Gesundheit und des Wohlbefindens darstellen.

Atmung im Leistungssport

Im Bereich der Sportwissenschaft suchen Athleten und Trainer ständig nach Wegen, um die Leistung zu optimieren. Gezielte Atemübungen sind nicht nur mehr tools für Yogis und gesundheitsinteressierte Menschen, sie entpuppen sich in Studien und in der Praxis als spannende Perspektiven zur Leistungssteigerung.

Im Jahr 2022 untersuchte ein Forscherteam, wie sich Atemstrategien auf die Laufleistung auswirken können. Die Wissenschaftler konzentrierten sich auf die Frage, ob gezieltes, langsames und tiefes Atmen, welches in meditativen Praktiken angewendet wird, die Leistung beeinflussen kann. Die Studie analysierte verschiedene Atemtechniken und ihre Auswirkungen auf das Laufen. [14]

Es stellte sich heraus, dass Läufer, die langsame und tiefe Atemtechniken anwendeten, eine verbesserte Toleranz gegenüber der Anstrengung im Lauftraining zeigten. Die Atemtechniken halfen den Läufern, effizienter zu laufen und weniger Erschöpfung während des Laufens zu verspüren. Diese Ergebnisse zeigen, dass gezieltes Atemtraining und die Kontrolle und Optimierung der Atmung beim Laufen nicht nur die physische Leistungsfähigkeit steigern, sondern auch das Gesamterlebnis des Laufens verbessert. 

In einer weiteren Studie aus dem Jahr 2021 wurde untersucht, wie Yoga-basierte Atemübung die Leistungsfähigkeit junger Ausdauersportler:innen beeinflussen kann. [7]
In einem zweimonatigen Trainingsprogramm erlernten und praktizierten die Athlet:innen spezielle Yoga-Atemtechniken, die sich auf tiefes und kontrolliertes Atmen konzentrieren. Ein regelmäßiger Einsatz der Übungen wurde überwacht. Die Ergebnisse waren verblüffend. Durch die Anwendung der Atemübungen konnten die Athlet:innen ihre Bauch- und Brustmuskeln beim Atmen effizienter einsetzen. Das bedeutet, dass sie beim Sport weniger Energie für die Atmung aufwenden mussten und somit mehr Energie für andere Aspekte ihrer Leistung zur Verfügung hatten. [15]

Dies legt nahe, dass Yoga-Atemübungen Sportler dabei unterstützen, ihre Atmung während des Trainings und der Wettkämpfe zu optimieren. Indem sie lernen, ihre Atmungsmuskulatur effizienter zu nutzen, können sie ihre Gesamtleistung verbessern und gleichzeitig Energie sparen. 

Mehr Druck auf der Brust für bessere Atmung

Ein Forscher der Western Washington University veröffentlichte 2012 im Journal of Sports Medicine & Doping Studies, eine ungewöhnliche, aber spannende Methode zur Stärkung der Atemmuskulatur: Das Schlafen mit einem Gewicht auf der Brust!
Die Idee hinter dieser Methode ist, dass das Gewicht auf der Brust die Atemmuskulatur während des Schlafs zusätzlich fordert. Indem die Muskeln gegen das Gewicht arbeiten müssen, um die normale Atmung aufrechtzuerhalten, werden sie stärker und ausdauernder. Die Studie zeigt, dass diese Technik tatsächlich die Atemmuskulatur stärken kann. [16]

Athleten, die diese Methode anwendeten, konnten eine verbesserte Atemkapazität und -effizienz während des Trainings und der Wettkämpfe erleben. Besonders nützlich scheint diese Technik für Sportarten zu sein, in denen starke Atemmuskulatur von Vorteil ist, wie beim Schwimmen, Radfahren oder Langstreckenlauf. Diese Methode des Schlafens mit einem Gewicht auf der Brust hat im Leistungssport wohl noch wenig Anklang gefunden und wird sich sobald auch nicht als Standard durchsetzen.
Dennoch eine faszinierende Idee und zeigt, wie wichtig Innovation im Leistungssport ist, um in einem hochkompetitiven Umfeld einen zusätzlichen Vorteil zu erlangen. In einem Feld, wo jede Kleinigkeit zählt, ist es wie viele andere Strategien eine mögliche Chance, sich mit einem kleinen, aber entscheidenden Schritt vor die Konkurrenz zu setzen.

Integration von Atemübungen in das Training

Die Vielfalt und Wirksamkeit von Atemtechniken im Leistungssport sind beeindruckend und bieten Athletinnen und Athleten eine leistungsstarke Methode, um ihre sportliche Performance signifikant zu verbessern. Durch die Integration dieser gezielten Atemübungen in ihr tägliches Training können sie nicht nur ihre körperliche Leistungsfähigkeit steigern, sondern auch neue Dimensionen der persönlichen Entwicklung erschließen. Atemtechniken fördern Resilienz, mentale Klarheit und bieten das Potential, Stress effektiv zu managen, indem sie direkt auf das Nervensystem einwirken.

Diese Fähigkeiten können letztendlich den entscheidenden Unterschied im Erfolg ausmachen, indem sie Athleten ermöglichen, sowohl in Trainingssituationen als auch in Wettkampfumgebungen ihr volles Potenzial auszuschöpfen.

Apnoe: Freitauch-Techniken für mehr Leistung

Forscher des Department of Experimental Medical Science an der Faculty of Medicine der Lund University in Schweden kamen zu phantastischen Ergebnissen in ihren Arbeiten. Ihre Forschungen und die bereits etablierten Erkenntnisse über den Trigeminocardiac-Reflex (TCR) enthüllen ein faszinierendes Zusammenspiel zwischen Apnoe-Atmungstechniken und dem Tauchreflex, der typischerweise bei Babys zu beobachten ist. Dieses Zusammenspiel bietet interessante Perspektiven für körperliche und geistige Leistungsentwicklung. [17]

Der Trigeminocardiac-Reflex ist eine Schutzreaktion des Körpers, die ausgelöst wird, wenn das Gesicht, insbesondere die Region um die Augen und die Nase, die vom Trigeminusnerv versorgt wird, kaltem Wasser ausgesetzt wird. Dieser Reflex führt zu einer Verlangsamung der Herzfrequenz, einer Verringerung des Blutdrucks und einer verbesserten Sauerstoffversorgung des Gehirns und anderer vitaler Organe. Er ist eine Art Abwehrmechanismus des Körpers gegen potenzielle Sauerstoffmangelzustände. 

Eltern kennen diesen Reflex bei Babys, die diesen sehr deutlich zeigen. Taucht man das Gesicht eines Babys ins Wasser, hält es instinktiv den Atem an und seine Herzfrequenz verlangsamt sich. Dieses Phänomen wird vor allem beim Babyschwimmen besonders deutlich. In dieser Situation schaltet das Baby reflexartig auf eine Art „Unterwassermodus“ um. Das bedeutet, dass sich sein Lungensystem sich anpasst, um den Sauerstoffverbrauch zu minimieren.

Auch bei Erwachsenen ist dieser Reflex vorhanden, wenn auch oft in abgeschwächter Form. Durch gezieltes Training, wie es bei Freitaucher:innen und Schwimmer:innen üblich ist, kann dieser Tauchreflex jedoch intensiviert werden. Dies führt zu einer verbesserten Fähigkeit, den Atem für längere Zeit anzuhalten und die Sauerstoffeffizienz des Körpers zu steigern. Das ist vor allem in Disziplinen, die Ausdauer unter Wasser erfordern, von Vorteil.

Apnoe-Atemtechnik reduziert Sauerstoffverbrauch

Die Studie des Forscherteams aus Schweden zeigt, dass Apnoe-Atmungstechniken, wie sie beim Freitauchen verwendet werden, den Sauerstoffverbrauch effektiv reduzieren. Das bedeutet, dass durch das Anhalten des Atems und möglicherweise durch die Stimulation des TCR die Sauerstoffreserven in der Lunge langsamer verbraucht werden, was die Ausdauer unter Wasser erhöht und das Risiko einer Hypoxie verringert. Hypoxie ist ein Zustand, bei dem der Körper oder Teile davon nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden, was zu verschiedenen gesundheitlichen Problemen führen kann. [18]

Für Sportler, insbesondere in Disziplinen wie Schwimmen, Tauchen oder andere Wassersportarten, kann das Training dieser Reflexe bedeutende Vorteile bringen. Durch das gezielte Üben von Apnoe-Atmungstechniken und das Nutzen des Tauchreflexes können diese Sportler:innen ihre Sauerstoffeffizienz und Ausdauer steigern sowie Herzfrequenz und Sauerstoffverbrauch während intensiver Aktivitäten besser kontrollieren.

Die Vorteile von Apnoe Training

In einer spannenden Studie aus dem Jahr 2009 haben Forscher die Wirkung von Apnoe-Training auf die Schwimmtechnik untersucht. Vier Schwimmer absolvierten ein dreimonatiges Atemanhalte-Training und zeigten beeindruckende Verbesserungen der Armkoordination, was zu einer effizienteren Schwimmweise führte. Interessanterweise stieg die Kontinuität des Vortriebs im Wasser, obwohl ihre reine Schwimmgeschwindigkeit gleich blieb. Diese Erkenntnisse enthüllen, wie Apnoe-Training nicht nur die Atmung, sondern auch die Bewegungsabläufe beim Schwimmen optimieren kann. [13]

Natürlich bietet Apnoe-Training auch Athletinnen und Athleten aus anderen Disziplinen große Vorteile. Eine Studie von 2010 enthüllt, dass es weit mehr als nur die Verlängerung der Atemanhaltezeit unter Wasser bewirkt. Es verbessert Blut- und Lungenwerte, indem es den Hämatokrit – den Anteil der roten Blutkörperchen im Blut, der für den Sauerstofftransport wichtig ist – und die Erythropoietinkonzentration erhöht, ein Hormon, das die Produktion roter Blutkörperchen anregt. Diese Optimierung der Sauerstoffaufnahme und -verteilung steigert Ausdauer und Gesamtleistungsfähigkeit. Diese umfassenden Effekte verbessern die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit und helfen Athleten, besser mit Trainings- und Wettkampfstress umzugehen. Deshalb sieht man immer öfter Sportler:innen aus Bereichen wie dem Kampfsport, die sich dem Apnoe-Training zuwenden.

Persönliche Erfahrung mit Unterwasserübungen

In meiner persönlichen Erfahrung als Performance Coach habe ich mit Aleksandar Rakic, einem der erfolgreichsten MMA-Kampfsportler aus Europa, zusammengearbeitet. Rakic integrierte Freitauchübungen in seine Vorbereitung für Kämpfe. Nach sorgfältigem Aufwärmen und Atemübungen setzte er sich unter Wasser intensiven Übungen aus, wie etwa dem hochtauchen farbiger Ringe in bestimmten Vorgaben unter Zeitdruck oder dem Tragen von Gewichten am Boden eines bis zu fünf Meter tiefen Pools. Sein herausragendste Leistung in diesem Zusammenhang war es, ein Sportbecken in einem Zug zu durchtauchen. Er konnte seine Strecken-Tauchleistung innerhalb weniger Wochen von 20 auf nahezu 50 Meter steigern – ein eindrucksvoller Beweis seiner physischen und insbesondere psychischen Entwicklung.

Conclusion

Die Praxis der bewussten Atmung stellt ein kraftvolles, aber oft unterschätztes Instrument im Bereich des Stressmanagements dar. Diese Technik eröffnet einen unmittelbaren Zugang zur Beruhigung des Nervensystems, hilft beim Abbau von Stress und fördert das allgemeine Wohlbefinden. Durch regelmäßiges Training können wir lernen, unseren Atem als stabilisierenden Anker zu verwenden, der uns in Momenten hoher Anspannung zu Ruhe und geistiger Klarheit verhilft.

Der grundlegende Ausspruch „Ohne Atmung gibt es kein Leben“ lässt sich um den Gedanken erweitern: „Bewusst atmen für ein besseres Leben“. Dies ist nicht nur ein spirituelles Konzept; es wird durch wissenschaftliche Studien und durch meine praktischen Erfahrungen als Nicht-Yogi untermauert. Diese Erkenntnisse bestätigen, dass bewusste Atmung weit mehr ist als nur eine alltägliche Notwendigkeit – sie ist ein Schlüssel zu einem gesünderen und ausgeglicheneren Leben.

Sources:

  1. Lin, I., Tai, L. Y., & Fan, S. (2014). „Breathing at a rate of 5.5 breaths per minute with equal inhalation-to-exhalation ratio increases heart rate variability.“
  2. Doll A, Hölzel BK, Mulej Bratec S, Boucard CC, Xie X, Wohlschläger AM, Sorg C. Mindful attention to breath regulates emotions via increased amygdala-prefrontal cortex connectivity. Neuroimage. 2016 Jul 1;134:305-313. doi: 10.1016/j.neuroimage.2016.03.041. Epub 2016 Mar 24. PMID: 27033686.
  3. Noble, D. J., & Hochman, S. (2019). „Hypothesis: Pulmonary Afferent Activity Patterns During Slow, Deep Breathing Contribute to the Neural Induction of Physiological Relaxation.“
  4. Böckeler, H., Cornforth, D., Drummond, J., Olling, L., & Jelinek, H. (2020). „The Effectiveness of Paced Breathing versus Game-Biofeedback on Heart Rate Variability: An Observational Study.“
  5. Laborde S, Allen MS, Borges U, Dosseville F, Hosang TJ, Iskra M, Mosley E, Salvotti C, Spolverato L, Zammit N, Javelle F. Effects of voluntary slow breathing on heart rate and heart rate variability: A systematic review and a meta-analysis. Neurosci Biobehav Rev. 2022 Jul;138:104711. doi: 10.1016/j.neubiorev.2022.104711. Epub 2022 May 24. PMID: 35623448.
  6. Streeter CC, Gerbarg PL, Whitfield TH, Owen L, Johnston J, Silveri MM, Gensler M, Faulkner CL, Mann C, Wixted M, Hernon AM, Nyer MB, Brown ER, Jensen JE. Treatment of Major Depressive Disorder with Iyengar Yoga and Coherent Breathing: A Randomized Controlled Dosing Study. J Altern Complement Med. 2017 Mar;23(3):201-207. doi: 10.1089/acm.2016.0140. Epub 2017 Feb 16. PMID: 28296480; PMCID: PMC5359682.
  7. Michael R. Goldstein , Rivian K. Lewin & John J. B. Allen (2022) Improvements in well-being and cardiac metrics of stress following a yogic breathing workshop: Randomized controlled trial with active comparison, Journal of American College Health, 70:3, 918-928, DOI: 10.1080/07448481.2020.1781867
  8. Balban, M.Y., Neri, E., Kogon, M.M., Weed, L., Nouriani, B., Jo, B., Holl, G., Zeitzer, J.M., Spiegel, D., Huberman, A.D., 2023. Brief structured respiration practices enhance mood and reduce physiological arousal. CR Med 4 
  9. Jerath R, Edry JW, Barnes VA, Jerath V. Physiology of long pranayamic breathing: neural respiratory elements may provide a mechanism that explains how slow deep breathing shifts the autonomic nervous system. Med Hypotheses. 2006;67(3):566-71. doi: 10.1016/j.mehy.2006.02.042. Epub 2006 Apr 18. PMID: 16624497.
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