Magdalena starrte auf ihren Bildschirm und las dieselbe E-Mail zum dritten Mal. Trotz einer durchgeschlafenen Nacht fühlte sich ihr Kopf wie in Watte gepackt. Die Wörter schienen vor ihren Augen zu schweben und weigerten sich, eine zusammenhängende Bedeutung zu ergeben.
Das war nicht das erste Mal, dass sie diese mentale Trübung erlebte, und wie Millionen andere kämpfte sie mit dem, was medizinische Fachleute als „Brainfog“ bezeichnen – ein Phänomen, das weitaus komplexer ist als einfache Müdigkeit oder Ablenkung, denn es kann überraschend viele Ursachen haben und selbst scheinbar gesunde, intelligente Menschen treffen, die bislang keine kognitiven Beschwerden hatten.
Was genau ist Brainfog?
Brainfog ist keine eigenständige medizinische Diagnose, sondern ein Begriff, der wörtlich übersetzt „Gehirnnebel“ bedeutet – und diese Übersetzung trifft den Zustand erstaunlich gut.
- Genau wie bei einem dichten Nebel in der Natur, wo deine Sicht eingeschränkt ist und Konturen verschwimmen, erlebst du bei Brainfog eine mentale Trübung.
- Wie ein Wanderer im Nebel, der bekannte Wege plötzlich nur noch schwer erkennt, fällt es dir schwerer, gewohnte Gedankengänge zu verfolgen.
- Und ähnlich wie Nebel die Sicht auf wenige Meter beschränkt, begrenzt Brainfog deine mentale Klarheit und Weitsicht.
Der entscheidende Unterschied: Im Gegensatz zu echtem Nebel, dem man ausgeliefert ist, kann man Maßnahmen ergreifen, um den Brainfog zu bekämpfen. [1]
Häufige Anzeichen von Brainfog
- Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis (wenn du Inhalte aus einem Gespräch vergisst, das du gerade geführt hast)
- Konzentrationsschwierigkeiten
- Mentale „Verschwommenheit“, bei der sich das Denken anfühlt, als würdest du durch dicke Suppe waten
- Mentale Erschöpfung nach grundlegenden Aktivitäten wie E-Mails schreiben oder Besprechungen
- Schwierigkeiten, die richtigen Worte beim Sprechen zu finden
- Einfache Aufgaben dauern zwei- oder dreimal so lange wie üblich
- Probleme mit Zahlen und logischen Verbindungen
- Unfähigkeit, mehrere Aufgaben zu bewältigen, die früher Routine waren
- Überforderung durch Informationen, die du normalerweise leicht verarbeiten würdest
- Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen, selbst bei kleinen Dingen [1]

Die Hauptursachen von Gehirnnebel
Es gibt überraschend viele Ursachen dafür! Gehirnnebel entsteht aus mehreren biologischen Systemen im Körper, die alle eine entscheidende Rolle für die mentale Klarheit spielen. Diese Systeme interagieren auf komplexe Weise und erzeugen einen Kaskadeneffekt, der dein Denken trüben und deine mentale Energie aufzehren kann.
Entzündungen
Wenn chronische Entzündungen im Körper auftreten, betreffen sie nicht nur deine Gelenke oder Muskeln – sie können über verschiedene Wege auch dein Gehirn erreichen und eine Art neuronale Störung verursachen. Wenn aktiviert, können sie:
- Entzündungsmoleküle durch deinen Blutkreislauf senden, die dein Gehirn erreichen können
- Eine Art „Rauschen“ in der Kommunikation der Gehirnzellen erzeugen
- Es den Gehirnzellen erschweren, neue Verbindungen zu bilden
- Die Geschwindigkeit verlangsamen, mit der deine Neuronen (Gehirnzellen) miteinander kommunizieren
- Die Produktion wichtiger Gehirnchemikalien beeinflussen, die dir beim klaren Denken helfen. [2]
Darm- oder Mikrobiomprobleme
Dein Darm ist nicht nur zum Verdauen da – er ist wie ein zweites Gehirn, das ständig mit deinem eigentlichen Gehirn kommuniziert. Diese Verbindung erscheint so wichtig, dass Störungen der Darmgesundheit einen Dominoeffekt auslösen können, der zu Veränderungen der Gehirnfunktion und mentalen Klarheit führt:
- Ein ungesunder Darm kann schädliche Substanzen in deinen Blutkreislauf freisetzen
- Gestörte Darmbakterien können die Produktion von Gehirnchemikalien beeinflussen
- Verdauungsprobleme können Entzündungen im ganzen Körper auslösen
- Schlechte Nährstoffaufnahme kann dein Gehirn wichtiger Materialien berauben
- Darmprobleme können deine mentalen Energielevel direkt beeinflussen [3]
Sauerstoffmangel
Das menschliche Gehirn benötigt einen erheblichen Teil des gesamten Sauerstoffvorrats des Körpers, um optimal zu funktionieren. Wenn der Sauerstoffgehalt auch nur geringfügig unter das optimale Niveau sinkt, kann dies eine Kaskade von Effekten auslösen:
- Schon leichte Reduzierungen des Sauerstoffgehalts können dein Denken vernebeln
- Schlechter Blutfluss kann die Sauerstoffzufuhr zu den Gehirnzellen einschränken
- Flaches Atmen kann die gesamte Sauerstoffverfügbarkeit reduzieren
- Gehirnzellen arbeiten weniger effizient, wenn Sauerstoff begrenzt ist [4]
Nährstoffmangel
Unser Gehirn benötigt eine komplexe Mischung aus Vitaminen, Mineralstoffen und anderen Nährstoffen, um optimal zu funktionieren:
- Fehlende B-Vitamine können die Energieproduktion im Gehirn verlangsamen
- Eisenmangel kann den Sauerstofftransport zum Gehirn reduzieren
- Mangel an essentiellen Fetten kann die Kommunikation der Gehirnzellen beeinträchtigen
- Fehlende Mineralstoffe können die elektrische Signalübertragung im Gehirn stören [5]
Mitochondriale Probleme
Die Gesundheit der Mitochondrien spielt eine sehr große Rolle bei der Gehirnfunktion und beeinflusst alles von der Gedächtnisleistung bis zur mentalen Verarbeitungsgeschwindigkeit:
- Wenn sie nicht gut arbeiten, bekommen die Gehirnzellen weniger Energie
- Dies kann zu mentaler Ermüdung und langsamerem Denken führen
- Umweltgifte können die Mitochondrienfunktion beeinträchtigen
- Stress kann ihre Fähigkeit zur effizienten Energieproduktion reduzieren
- Schlechte mitochondriale Gesundheit bedeutet weniger mentale Ausdauer [6]

Wie Gehirnnebel den Alltag beeinflusst
Energieabbau im Tagesverlauf
- Morgendliche Klarheit verblasst schneller als üblich
- Mentale Ausdauer erschöpft sich schnell bei grundlegenden Aufgaben
- Selbst kurze Konzentrationsphasen erfordern viel Energie
- Nachmittagstiefs treffen härter und dauern länger
- Die Erholung von mentaler Anstrengung braucht mehr Zeit
Auswirkungen auf die Arbeitsleistung
- Einfache Aufgaben verbrauchen unverhältnismäßig viel mentale Energie
- Früher automatische Berechnungen erfordern jetzt intensive Konzentration
- Das Schreiben einfacher E-Mails erfordert mehrere Entwürfe und Überarbeitungen
- Zweistündige Meetings fühlen sich wie mentale Marathons an
- Entscheidungen treffen erschöpft die mentalen Ressourcen schnell
Auswirkungen auf das Privatleben
- Haushaltsplanung fühlt sich überwältigend an
- Soziale Gespräche werden mental anstrengend
- Termine zu merken wird zunehmend schwieriger
- Filmhandlungen zu folgen oder Bücher zu lesen erfordert mehr Energie als üblich
- Routine-Einkäufe erfordern zusätzliche mentale Anstrengung
Körperliche Manifestationen
- Körperliche Erschöpfung durch mentale Aufgaben
- Erhöhter Bedarf an Pausen während einfacher Aktivitäten
- Konstante mentale Müdigkeit, selbst nach Ruhephasen
- Mentale Müdigkeit überträgt sich in körperliche Erschöpfung
- Abendliche Erschöpfung nach grundlegenden Tagesaktivitäten [7]
Conclusion
Als jemand, der sich intensiv mit Brainfog auseinandergesetzt hat, weiß ich, dass es weit mehr ist als „einfach nur ein schlechter Tag“. Zu oft werden meine Symptome – unsere Symptome – als Überarbeitung, Stress oder mangelnde Disziplin abgetan. Hinzu kommt, dass sich diese oft schleichend manifestieren. Es ist erschreckend, wie tiefgreifend Brainfog das Leben beeinträchtigen kann. Ein paar Beispiele:
- Als Eltern fällt es uns manchmal schwer, den komplexen Geschichten unserer Kinder zu folgen.
- Als Freunde vergessen wir Details aus Gesprächen, die uns eigentlich wichtig sind.
- Im Beruf brauchen wir länger für Aufgaben, die wir früher mühelos bewältigt haben.
- Als Studenten müssen wir Texte mehrmals lesen, um sie wirklich zu verstehen.
Selbst alltägliche soziale Interaktionen, die früher selbstverständlich waren, können zu einer echten Herausforderung werden.
Doch gerade diese Komplexität bietet viele Ansatzpunkte für Verbesserungen. Statt dich entmutigen zu lassen, kannst du systematisch vorgehen: Lass mögliche Ursachen medizinisch abklären, experimentiere mit Ernährungsumstellungen, optimiere deinen Schlaf und such dir Unterstützung, wenn du sie brauchst.
Literaturverzeichnis:
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36600580/
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26190965/
- https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC7722401/
- https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10200033/
- https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC8809226/
- https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC7845145/
- https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10334862