„Heutzutage ist ja nichts mehr drinnen im Gemüse“, oder „Früher hatte unser Obst viel mehr Nährstoffe“ sind Aussagen, die einem immer wieder begegnen.
Der Konsens scheint zu sein, dass unsere Lebensmittel Nährstoffe weder in der nötigen Qualität noch in Quantität liefern. Auch in großen Medien wie dem deutschen Wochenmagazin „Der Spiegel“ wird über den Rückgang gejammert.
Doch wie viel ist an diesen Aussagen dran? Handelt es sich nur um die klassische Früher-war-alles-besser-Mentalität, oder verhungern wir tatsächlich vor vollen Töpfen?
Auch wenn früher tatsächlich vieles besser war, sollten wir das Thema objektiver betrachten und andere Parameter als nur die im Labor gemessen Mikronährstoffe einer Karotte berücksichtigen. Denn alleine mit der unsachgemäßen Verarbeitung in unserer Küche, können wir tatsächlich alle Nährstoffe im Gemüse ausradieren.
Wie kam es eigentlich zu diesen Einschätzungen?
Diese Meinung bildete sich, als Anfang der 2000er erste Studien veröffentlicht wurde, welche den Rückgang mehrerer Nährstoffe in Obst und Gemüse verzeichnen. Das deklarierte Problem war, dass unsere landwirtschaftlichen Produkte in den 70er und 80er des letzten Jahrhunderts deutlich bessere Nährstoffwerte aufwiesen als nach der Jahrtausendwende. Das kam bei den Analysen der Forscher heraus. Sofort folgten die bereits zitierten Schlagzeilen in diversen Büchern und Magazinen. Es dauerte etwas länger bis sich die Forschung wieder eingehend damit beschäftigte, um das damals erhaltene Bild noch einmal zu überprüfen.
2017 analysierten Forscher die Datenlage und stellten fest, dass es eigentlich kaum möglich ist, Schlüsse aus den Zahlen aus zwei verschiedenen Jahrhunderten zu ziehen, welche mit absolut unterschiedlichen Methoden gemessen wurden. Als würde man Äpfel mit Birnen vergleichen.
Wir können anhand dieser historischen Daten im Moment nicht deutlich sagen, ob und wie sich der Gehalt verändert. Auch die Schweizer sowie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung haben Studien durchgeführt und festgestellt, dass die Nährstoffe nicht rasant zurückgehen und die Mikronährstoffversorgung mit der empfohlenen Obst- und Gemüsezufuhr (5 am Tag) sichergestellt ist. Natürlich ist es nicht vollkommen egal, welche Produkte du konsumierst! Aber dazu später noch mehr.
Die Kirche im Dorf lassen?
Der Gehalt an Nährstoffen in Pflanzen schwankt naturgemäß schon sehr stark und übertrifft die bei den Studien gemessenen Veränderungen teilweise um ein Vielfaches. Es ist ja nicht nur allein die Bodenqualität ausschlaggebend, wenn es um den Aufbau von Nährstoffen in Obst und Gemüse geht. Beispielsweise bauen die Früchte auf der Sonnenseite eines Apfelbaumes deutlich mehr Vitamine auf als jene auf der Seite. die länger am Tag im Schatten liegt.
Wo liegt dann das Problem?
Was sich jedoch verändert hat, ist die Art und Weise, wie wir Lebensmittel produzieren und damit umgehen, dies hat tatsächlich einen Einfluss auf die Qualität. In der konventionellen Landwirtschaft sind Ertrag und Effizienz maßgeblich für die Wirtschaftlichkeit. Jede Pflanze muss mehr Früchte tragen. Die Paradeiser müssen größer werden und die Kartoffeln schwerer. Die Pflanzen wachsen schneller, lagern mehr Wasser ein, bauen mehr Kohlenhydrate, aber gleichzeitig nicht mehr Nährstoffe ein.
Unser Wunsch nach immer günstigeren Lebensmitteln führt über die stark eingeschränkte Sortenwahl und die Methoden der modernen Landwirtschaft also direkt zur Nährstoffauswaschung. Die Sortenwahl ist bei manchen Biobauern 10-20x so hoch wie im Supermarkt um die Ecke. Es gibt unzählige Sorten an Karotten, in allen Farben des Regenbogens. Abwechslungsreich zu essen, ist sicherlich ein Schlüssel, um einem Nährstoffmangel zu entgehen. Im Internet findest du unzählige Hofläden und Biobauern auch in deiner Umgebung. Du wirst erstaunt sein, was es alles gibt. Viele landwirtschaftlichen Produkte, wie zum Beispiel das Bio-Kisterl, werden bequem nachhause geliefert.
Was kann ich persönlich noch tun?
Unser Konsum an Gemüse ist generell zu gering. Da haben wir definitiv Aufholbedarf. Bei Obst sieht es schon besser aus. Verständlich! Früchte sind nunmal auch als Snack oder Dessert sehr beliebt.
Wir sollten in dieser Diskussion vielleicht auch das Thema frische und schonende Zubereitung berücksichtigen. Wahrscheinlich gehen hier die meisten Nährstoffe verloren. Den eines mögen Vitamine gar nicht: Lange Lagerzeiten und zu viel Hitze in der Pfanne. Wer hier auf sein Gemüse achtet, kommt auch mit kleinen Mengen durch. Die Regelmäßigkeit macht es aus.
Ich selbst schaffe es, mit kleinen, einfach umzusetzenden Tricks durch den Alltag. Zum Beispiel esse ich zu jeder Hauptmahlzeit einen grünen Salat oder im Winter eine Kraut-Variante. Das liefert Vitamine und sättigt auch.
Welchen Einfluss hat die Umwelt?
Nicht nur die Böden haben sich verändert, sagen Forscher. Sie haben in Experimenten festgestellt, dass CO2 in der Luft das Wachstum vorantreibt, aber die Proteinbildung in Pflanzen vermindert. Dabei haben sie Pflanzen in verschiedenen Luft-Umgebungen wachsen lassen und nachher die Nährstoffzusammensetzung analysiert. Der CO2-Gehalt entsprach aktuellen und zukünftigen Werten, um die Veränderung abzuschätzen.
In der Umgebung mit hohem CO2-Gehalt haben Pflanzen weniger Protein, Eisen und Zink eingebaut. Forscher schätzen demnach, dass pflanzliche Eiweißquellen bis 2050 zwischen 6,4% bei der Kartoffel und 14,1% bei Gerste verlieren werden. Das ist bereits in 30 Jahren. Dieser Rückgang ist auch bei anderen Getreidesorten, wie Weizen, Dinkel und Reis zu erwarten. Bei uns bedeutet das bis zu -3,43% der Eiweißzufuhr oder -8% bei VeganerInnen. Das CO2 ist also nicht nur für den Klimawandel verantwortlich, sondern hindert auch unsere Nährstoffversorgung, und zwar direkt hier in Österreich.
Eines sollten bei dieser Betrachtung aber generell berücksichtigt werden, zumindest in Österreich zählt Getreide nicht zu den wichtigsten Eiweißlieferanten. In Asien und Afrika gibt es aber sehr wohl Länder, bei denen dies ein Unterschied in der Versorgung ausmachen kann. In manchen Ländern macht Reis 80% der täglich aufgenommen Kalorien aus. Da ist „Verhungern vor vollen Töpfen“ keine leere Floskel mehr und wird durch diese Umweltveränderung noch spürbarer.
Muss ich mir Sorgen machen?
Du solltest deine Ernährung so gestalten, dass kleine Schwankungen nicht gleich einen Mangel verursachen.
Pflanzenbasierte Ernährung mit saisonal, regional und biologischen Gemüse sollte die Grundlage deiner Versorgung bilden. Und zwar täglich. Obst sollte natürlich auch nicht fehlen. In Österreich sind wir mit Äpfel, Birnen, Zwetschken, uvm. reichhaltig versorgt. Die Natur hat sich schon etwas gedacht bei den Jahreszeiten. Was uns das Obst im Sommer an Vitaminen liefert, bekommst du im Winter aus Kraut und Kohlsorten.
Bei tierischem Eiweiß habe ich einen Merksatz für dich: „Was schwimmt, fliegt oder läuft“ bringt mir Qualität auf den Teller. Dazu gehören natürlich, Fisch, Geflügel und Wildfleisch. Du hast richtig vermutet, ich bin kein großer Fan von Schweinefleisch.
Das immer wieder in der Kritik stehende Getreide möchte ich hier nicht verteufeln. Stattdessen empfehle ich dir, zu Urgetreide zu greifen. Einkorn, Kohrasan oder Emmer zählen zu den ältesten und gesündesten Sorten. Wenn du es lieber glutenfrei hast, empfehle ich dir Buchweizen. Egal ob Flocken, Nudel oder Brot, Buchweizen bietet eine geschmackvolle und gesunde Alternative zu herkömmlichen Getreide. Du erhältst es in nahezu jedem Bio-Laden. Im Vergleich zur klassischen Weizensemmel kann bei diesen Sorten keine Rede von leeren Kalorien sein.
Das Ganze mit Nüssen aufpeppen und die Grundversorgung an Nährstoffen ist gewährleistet. Ich selbst halte mich zu 80% an diese Lebensmittel, dann bleibt noch genügend Platz für Süßes, ein Bier mit Freunden oder was dich sonst so glücklich macht.
Dein Performance Coach
Richard Staudner