Warum ultraverarbeitete Lebensmittel dicker machen als naturbelassene

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Richard Staudner

Der Optimizer

Ultraverarbeitete Lebensmittel, von Cornflakes und Müsliriegeln bis hin zu Fertiggerichten und süßem Joghurt, haben längst Einzug in unseren Alltag gehalten. Kaum jemand denkt beim schnellen Toast oder Fertigsnack daran, wie sehr diese Industrieprodukte Hunger- und Sättigungssysteme im Körper durcheinanderbringen. Genau hier setzt eine Studie von Kevin Hall (National Institutes of Health, USA) an: In einem streng kontrollierten Laborexperiment konnten die Wissenschaftler zeigen, dass ultraverarbeitete Kost im Vergleich zu naturbelassener Ernährung fast automatisch zu Überessen und Gewichtszunahme führt. 

Die Teilnehmer der einmonatigen Studie aßen im Schnitt rund 500 Kilokalorien mehr pro Tag und nahmen etwa 0,9 kg zu, wenn sie ultraverarbeitete Mahlzeiten erhielten – bei naturbelassener Kost verloren sie im gleichen Zeitraum etwa 0,9 kg. Diese Ergebnisse wurden erzielt, obwohl die angebotenen Mahlzeiten gleich viele Kalorien und exakt dieselben Nährstoffe (Fett, Eiweiß, Kohlenhydrate, Zucker, Salz, Ballaststoffe) enthielten – die Teilnehmer durften jedoch in beiden Phasen so viel essen, wie sie wollten. Der einzige Unterschied: Ultraverarbeitet oder naturbelassen.  

Die Hall-Studie ist damit ein Meilenstein der Ernährungsforschung, weil sie unter kontrollierten Bedingungen folgendes beweist: verarbeitete Lebensmittel führen eindeutig dazu, dass wir mehr essen, ohne es zu merken

Die Hall-Studie – streng kontrolliertes Setup 

Das Experiment lief in einer Klinikstation des National Institutes of Health ab und war so angelegt, dass alle anderen Einflüsse konstant blieben. Wichtige Eckdaten: 

Randomisiert-kontrolliertes Crossover-Design: 20 gesunde Erwachsene (mit normalem bis leicht erhöhtem BMI) verbrachten insgesamt vier Wochen im Labor. Zwei Wochen lang ernährten sie sich ausschließlich von ultraverarbeiteten Fertigmahlzeiten, zwei Wochen lang nur von naturbelassenen Lebensmitteln. Die Reihenfolge der Diäten wurde zufällig festgelegt. 

Identische Mahlzeiten-Zusammensetzung: In beiden Phasen waren alle Mahlzeiten so zusammengestellt, dass Kaloriengehalt und Makronährstoffverteilung (Fett-, Eiweiß-, Kohlenhydrat-Anteil) sowie Zucker, Natrium (Salz) und Ballaststoffe exakt übereinstimmten. Das heißt: Die Teilnehmer erhielten bei beiden Diäten den gleichen Mix aus Nährstoffen. 

Ad-libitum-Verzehr: Die Probanden bekamen stets mehr Essen angeboten, als sie brauchen würden, und durften so viel essen, wie sie wollten. Jeder Bissen wurde genau erfasst. 

Kontrollierte Rahmenbedingungen: Bewegung, Schlafrhythmus und alle Umweltbedingungen waren in beiden Diäten gleich geregelt – zum Beispiel gab es feste Schlafenszeiten und ein standardisiertes Bewegungsprogramm. 

Dank dieses strikten Designs kann man sicher sagen, dass die Unterschiede in der Ernährung ausschlaggebend für die Effekte waren. Es handelt sich nicht um bloße Beobachtungen oder Meinungen, sondern um bewiesene Zusammenhänge: Bei gleichen anderen Bedingungen aßen die Probanden unter der Diät mit den verarbeiteten Lebensmitteln schlicht mehr

Was haben die beiden Gruppen gegessen?

Während die eine Gruppe mit naturbelassenen Lebensmitteln versorgt wurde – darunter Haferflocken, Joghurt, frisches Obst und Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse, Eier, Fisch oder selbst zubereitetes Fleisch – erhielt die Vergleichsgruppe ausschließlich ultraverarbeitete Produkte wie Weißbrot, Bagels, Fertigpfannkuchen, Wurstwaren, Chicken Nuggets, Tiefkühl-Lasagne, Pizza, Chips, Süßgebäck und gezuckerte Cerealien. Optisch und geschmacklich wirkten die Mahlzeiten oft ähnlich sättigend, doch die ultraverarbeiteten Speisen waren weicher, energiedichter, schmackhafter kombiniert und deutlich schneller zu essen.

Nach 14 Tagen wurde die Ernährung gewechselt, sodass jede Person beide Phasen durchlief. Genau dieser Schritt macht das Ergebnis so überzeugend: Die gleichen Menschen, unter identischen Bedingungen, aßen in der UPF-Phase automatisch mehr – nicht aufgrund persönlicher Disziplin oder Vorlieben, sondern allein wegen der Eigenschaften der Lebensmittel.

Überraschend deutlich zeigte sich dieser Effekt bereits nach wenigen Tagen: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die ultraverarbeitete Mahlzeiten erhielten, nahmen im Schnitt rund 500 Kilokalorien mehr pro Tag zu sich als in der Phase mit naturbelassener Kost – ohne mehr Hunger zu verspüren. Das führte zu einer Gewichtszunahme von fast einem Kilogramm innerhalb von zwei Wochen. Besonders eindrucksvoll: Nach dem Wechsel auf frische, unverarbeitete Lebensmittel verloren dieselben Personen das zusätzliche Gewicht wieder. Damit wurde klar, dass der Effekt vollständig umkehrbar ist und direkt durch die Verarbeitungsstufe der Lebensmittel ausgelöst wurde – nicht durch individuelle Unterschiede oder „Willensstärke“.

Hall et al./Cell Metabolism

Die wichtigsten Ergebnisse auf einen Blick 

+500 kcal/Tag: Im Schnitt nahmen die Teilnehmer bei der ultraverarbeiteten Ernährung etwa 500 Kilokalorien mehr pro Tag zu sich als bei der naturbelassenen Kost. Das entspricht mehr als einer zusätzlichen Kleinmahlzeit – und das ohne bewusstes Hungergefühl. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass ultraverarbeitete Nahrung die natürliche Mengenregulation im Körper unterläuft. 

Schnelle Gewichtszunahme vs. Gewichtsabnahme: Innerhalb von nur zwei Wochen gab es klare Gewichtsunterschiede. Auf der ultraverarbeiteten Diät legten die Probanden im Mittel etwa +0,9 kg zu, während sie auf der naturbelassenen Ernährung etwa −0,9 kg verloren. Der Gewichtsverlauf lief praktisch spiegelbildlich ab – ein klares Zeichen dafür, dass die erhöhte Kalorienzufuhr unmittelbar in Körpergewicht mündet. 

Gestörte Hormonsteuerung: Begleitend zu den Ess- und Gewohnheiten stellten die Forscher fest, dass wichtige Sättigungs- und Hungerhormone sich deutlich unterschieden. Bei ultraverarbeiteter Kost blieb das Hungerhormon Ghrelin länger hoch, während das Sättigungshormon PYY nur schwach anstieg. Mit anderen Worten: Die Teilnehmer blieben länger hungrig und spürten das „Ich bin satt“-Signal später. Man muss mehr essen, bevor der Körper das Stopp-Signal gibt. 

Erhöhtes Ess-Tempo: Ein weiterer Effekt war die Geschwindigkeit des Essens. Ultraverarbeitete Speisen wurden deutlich schneller verzehrt – im Durchschnitt etwa 50% mehr Kalorien pro Minute als bei naturbelassenem Essen. Gründe sind der weiche, leicht kau- und schluckbare Zustand der Fertigprodukte und ihr hoher Genussfaktor. Wer schneller isst, gibt dem Körper weniger Zeit, die aufkommenden Sättigungssignale wahrzunehmen. 

Diese Ergebnisse verdeutlichen: Ultraprocessed Foods führen zu einem Energie-Überschuss, ohne dass man es merkt – und dieser Überschuss wird prompt in Körpergewicht umgewandelt.

Hall et al./Cell Metabolism

Warum ultraverarbeitete Lebensmittel zu Überessen führen 

Die Hall-Studie liefert auch Erklärungen dafür, warum das passiert. Ultraverarbeitete Lebensmittel bringen unsere natürlichen Steuerungsmechanismen aus dem Takt. Oft sind sie extrem schmackhaft (hoher Zucker- und Fettanteil, angenehme Gewürze, Aromen) und aktivieren das Belohnungszentrum im Gehirn (Dopamin) stark. Die Folge: Wir empfinden mehr Genuss und essen lieber weiter. Gleichzeitig enthalten diese Produkte wenig natürliche Ballaststoffe und Nährstoffe, die normalerweise ein schnelles Sättigungsgefühl auslösen. 

Normalerweise signalisiert ein Anstieg von Insulin und Leptin sowie Peptidhormone wie PYY dem Gehirn, dass genug Energie aufgenommen wurde. Bei ultraverarbeiteter Kost erfolgt dieses Signal „Stopp“ jedoch viel später oder gar nicht. Kurz gesagt: Der Körper bekommt viel Energie (Kalorien) in kurzer Zeit, ohne dass wir rechtzeitig satt werden. Wir essen weiter, bevor unsere Sättigungs-Schalter überhaupt aktiviert werden. Das Ergebnis sind größere Portionen und automatisch höhere Kalorienmengen. 

Der gesamte Sättigungs- und Belohnungskreislauf wird also „getäuscht“: Unser Dopamin-Haushalt fährt Achterbahn, während Leptin und Insulin schnelle Peaks erleben. Diese hormonellen Schwankungen machen es schwer, den Hunger zu kontrollieren. Das erklärt, warum wir selbst dann überessen, wenn wir glauben, auf Zucker und Fett zu achten – das verarbeitete Essen überlistet unseren Körper. 

Was das im Alltag bedeutet 

Im Alltag stecken wir oft unwissentlich in dieser Falle. Viele unserer gängigen Lebensmittel fallen unter die Kategorie „ultraverarbeitet“ und können zu einem heimlichen Kalorien-Plus führen. Beispiele für solche Lebensmittel sind: 

Frühstücks- und Snack-Produkte: Cornflakes, Müsli- oder Energieriegel (fast alle Frühstückscerealien und Riegel sind stark verarbeitet). 

Brot und Fertigteig: Toastbrot oder helles Industriebrot, Fertigpizza aus dem Tiefkühlfach, Tiefkühlgerichte. 

Snacks und Fast Food: Chips, Nachos, Salzstangen sowie Chicken Nuggets und Pommes aus der Fritteuse. 

Verarbeitete Fleischprodukte: Wurstwaren, Hot Dogs, Burger, Fischstäbchen oder Geflügelprodukte wie marinierte Hähnchenstücke.

Getränke und Milchprodukte: Softdrinks, Energy-Drinks, gesüßte Fruchtsäfte, Aromajoghurts mit Zucker, Trinkjoghurts. 

Fertigmahlzeiten und Ersatzprodukte: Fertiggerichte in Dosen oder Tüten, Mahlzeitenersatz-Shakes, abgepackte Suppen, Dosensuppen etc. 

Wenn wir uns überwiegend von solchen Produkten ernähren – selbst wenn wir Kalorien oder Makros im Blick haben – laufen wir Gefahr, die natürlichen Sättigungsregeln zu ignorieren. Man nimmt mehr Kalorien auf, als man denkt, und das fördert unbemerkt die Gewichtszunahme. 

Auswirkungen auf Leistung und Gesundheit 

Für alle, die auf ihre Fitness, Gesundheit und Langlebigkeit Wert legen, hat die Hall-Studie klare Botschaften: Eine Ernährung, die hauptsächlich auf unverarbeiteten, nährstoffreichen Lebensmitteln basiert, ist entscheidend. Anstatt Nahrungsenergie nur als reine Kalorien zu sehen, lohnt es sich, auf Nährstoffdichte zu achten. Natürliche Lebensmittel liefern nicht nur Energie, sondern auch Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe, die lange satt machen und den Blutzuckerspiegel stabilisieren. 

Das Ergebnis ist eine stabilere Energieversorgung im Alltag: Wir fühlen uns ausgeglichener, haben weniger Heißhungerattacken und können länger auf hohem Niveau leistungsfähig bleiben. Gleichzeitig arbeiten unser Hormonhaushalt und unser Belohnungssystem harmonischer. Statt ständig neuen Zucker- oder Fett-Reizen ausgesetzt zu sein (die Dopamin ausschütten), geben wir unseren Leptin- und Insulin-Regelsystemen die Chance, das Hunger-Verlangen zuverlässig zu regulieren. 

Mit anderen Worten: Weniger Industrie-Kost und mehr unverarbeitete Lebensmittel bedeuten für Sportler und gesundheitsbewusste Menschen oft: bessere Sättigung, konstanteres Energielevel und gesündere biochemische Abläufe. Das kann sich langfristig in besserer Leistungsfähigkeit, robusteren Stoffwechselprozessen und verringerter Entzündungsneigung niederschlagen. 

Praktische Tipps für den Alltag 

Natürliche Lebensmittel wählen: Ersetze Fertig- und Convenience-Produkte durch Ganzes – frisches Obst und Gemüse, Vollkornprodukte, Nüsse, Hülsenfrüchte, Fleisch und Fisch aus möglichst unverarbeiteter Form. Diese sättigen besser und enthalten mehr Mikronährstoffe. 

Ballaststoffe und Proteine integrieren: Achte darauf, jede Mahlzeit mit Proteinen (z.B. Fleisch, Fisch, Eier, Hülsenfrüchte) und ballaststoffreichen Lebensmitteln (z.B. Gemüse, Vollkorn) zu kombinieren. Proteine und Ballaststoffe erhöhen das Sättigungsgefühl stark und sorgen für einen langsamen, gleichmäßigen Anstieg des Blutzuckerspiegels. 

Langsam und bewusst essen: Nimm dir beim Essen Zeit. Kaue gründlich und genieße jeden Bissen. Schlucke erst hinunter, wenn du tatsächlich gekautes Essen gespürt hast. So haben die Sättigungshormone Zeit, dem Gehirn zu melden, dass genug Energie angekommen ist. Mach Pausen während der Mahlzeit – oft merkt man erst nach einigen Minuten, dass man satt ist. 

Fazit: Zurück zur natürlichen Ernährung 

Die Kevin-Hall-Studie verdeutlicht eindrucksvoll, dass die Verarbeitung von Lebensmitteln einen ganz eigenen Effekt auf unseren Appetit und Stoffwechsel hat – und zwar unabhängig von Kalorien, Zucker oder Fettgehalt. Ultraverarbeitete Lebensmittel bringen unsere biologischen Signalmechanismen aus dem Gleichgewicht: Wir essen automatisch mehr, fühlen uns trotzdem nicht satt und nehmen zu. Der klare Schluss für alle, die Leistung und Gesundheit im Blick haben: Mehr echte, unverarbeitete Nahrung essen. Weg von hochindustrialisierter Kost, hin zu Gemüse, Vollkorn, natürlichen Proteinquellen und Co. Denn unsere Körper sind dafür gemacht, auf natürliche Lebensmittel optimal zu reagieren – nicht auf den Lockruf stark verarbeiteter Nahrungsmittel. 

Energiegeladene Grüße,

Der Optimizer

Richard Staudner 

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Quelle:

Hall, K. D., Ayuketah, A., Brychta, R., Cai, H., Cassimatis, T., et al. (2019). Ultra-Processed Diets Cause Excess Calorie Intake and Weight Gain: An Inpatient Randomized Controlled Trial of Ad Libitum Food Intake. Cell Metabolism, 30(1), 67–77.e3. https://doi.org/10.1016/j.cmet.2019.05.008

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