Süßer Geschmack ohne Reue? Die überraschenden Erkenntnisse der SWEET-Studie

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Richard Staudner

Der Optimizer

Viele schwören auf Light-Limonade und Süßstoff im Kaffee, um Kalorien zu sparen – doch ist das wirklich gesund? Jahrelang waren Süßstoffe im Verruf, dem Körper zu schaden oder gar heimlich dick zu machen.

Jetzt sorgt eine neue Studie namens SWEET für Aufsehen: Erstmals wurden Süßstoffe in einem einjährigen Langzeittest gründlich untersucht. Die Ergebnisse sind überraschend positiv – und widerlegen den schlechten Ruf der Zuckerersatzstoffe.

Süßstoffe unter Verdacht – seit wann eigentlich?

Süße ohne Zucker – was nach einer großartigen Lösung klingt, wird schon lange kontrovers diskutiert. Kalorienfreie Süßstoffe wie Aspartam, Sucralose oder Stevia ermöglichen es, Kuchen, Softdrinks und Co. ohne den „Dickmacher“ Zucker herzustellen. Kein Wunder, dass sie weltweit beliebt sind – und das nicht erst seit gestern.

Tatsächlich begleiten uns Süßstoffe schon erstaunlich lange: Saccharin, der erste synthetische Süßstoff, wurde bereits 1879 entdeckt – also noch vor der Erfindung des Automobils! Ende des 19. Jahrhunderts begann in Deutschland die erste industrielle Produktion, und spätestens im Ersten Weltkrieg wurde Saccharin zum Zuckerersatz für die breite Bevölkerung. In den 1950er Jahren kam dann Cyclamat hinzu, ein Süßstoff, der besonders in Diätlimonaden beliebt wurde. In den 1980ern folgten Aspartam und Acesulfam K, die bis heute in vielen Light-Produkten stecken, während Sucralose in den 1990ern seinen weltweiten Durchbruch feierte.

Kurz gesagt: Süßstoffe sind keine moderne Erfindung, sondern haben eine über hundertjährige Geschichte – mit allen Höhen und Tiefen.

Denn so alt wie ihre Nutzung ist auch ihre Kontroverse. Schon in den 1970ern gerieten Süßstoffe in die Schlagzeilen: Damals kursierten Studien mit Ratten, bei denen extrem hohe Dosen Cyclamat angeblich Blasenkrebs auslösten. Diese Ergebnisse wurden später stark relativiert, doch der Imageschaden war da. Spätere Diskussionen drehten sich um mögliche Effekte auf den Appetit (durch Jojo-Effekt), den Insulinspiegel oder gar das Mikrobiom.

Selbst heute noch hält sich das Vorurteil, dass Süßstoffe „unnatürlich“ seien und der Körper sie nicht vertrage. Die WHO riet 2023 sogar davon ab, sie gezielt zum Abnehmen einzusetzen – zu unsicher, so das Urteil. Dabei waren viele dieser Einschätzungen auf ältere, kleinere oder indirekte Studien gestützt. Was bisher fehlte, war eine große, saubere Langzeitstudie, die den Effekt im Alltag prüft. Genau hier kommt die SWEET-Studie ins Spiel.

Die SWEET-Studie: Ein Langzeittest für Zuckerersatz

Die SWEET-Studie (Sweeteners and sweetness enhancers: prolonged effects on health, obesity and safety) ist ein umfangreicher randomisierter, kontrollierter Versuch. Ein umfangreicher randomisierter, kontrollierter Versuch ist eine große wissenschaftliche Studie, bei der Teilnehmende zufällig auf verschiedene Gruppen verteilt werden, um objektiv zu prüfen, ob eine bestimmte Behandlung oder Maßnahme tatsächlich wirkt. Über mehrere europäische Länder hinweg (u.a. Dänemark, die Niederlande, Spanien und Griechenland) wurden 379 Personen mit Übergewicht oder Fettleibigkeit für diese Studie rekrutiert. Darunter 341 Erwachsene und 38 Kinder. Die Untersuchung lief insgesamt ein Jahr lang – mitten in der Corona-Pandemie. Die Ergebnisse wurden 2025 veröffentlicht.

Damit alle Teilnehmenden vergleichbar starteten, gab es zunächst eine gemeinsame Abnehmphase: Zwei Monate lang ernährten sich die Erwachsenen mit kalorienarmen Formula-Diäten, also  industriell hergestellte Produkte, die eine genau festgelegte Zusammensetzung aus Eiweiß, Kohlenhydraten, Fett, Vitaminen und Mineralstoffen haben und in Form von Shakes, Suppen und Riegeln kommen. Das Ziel mit der Formuladiät waren mindestens 5 % Gewichtsverlust. Im Schnitt verloren sie rund 10 kg – ein beeindruckender Start. Danach begann die zehnmonatige Testphase:

  • die Zucker-Gruppe: durfte Zucker konsumieren (max. 10 % der täglichen Kalorien), aber keine Süßstoffe.
  • die Süßstoff-Gruppe: ersetzte Zucker konsequent durch kalorienfreie Süßstoffe wie Aspartam, Sucralose, Stevia oder Acesulfam K.

Alle bekamen die gleiche Ernährungsberatung und durften zuhause selber kochen – der Unterschied lag allein in der Art der Süße.

Über das Jahr wurden Gewicht, Blutwerte, Mikrobiom und Wohlbefinden genau verfolgt.

Was kam heraus?

Nach zwölf Monaten war klar: Die Süßstoff-Gruppe schnitt besser ab – nicht dramatisch, aber trotzdem deutlich messbar.

  • Gewicht: Während die Zucker-Gruppe im Schnitt 5,6 kg wieder zunahm, lag der Rückfall bei der Süßstoff-Gruppe nur bei 3,4 kg. Das bedeutet: 1,6 kg weniger Jo-Jo-Effekt – statistisch signifikant.
  • Mikrobiom: Keine negativen Veränderungen – im Gegenteil: In der Süßstoff-Gruppe nahm die Vielfalt der Darmflora leicht zu. Besonders Bakterien, die kurzkettige Fettsäuren bilden (gut für die Darmschleimhaut), wurden häufiger. Das alte Bild vom „Süßstoff, der die Darmflora kaputtmacht“, ist damit widerlegt. Der beobachtete Vorteil im Mikrobiom der Süßstoffgruppe ist dabei kein direkter Effekt der Süßstoffe selbst – sondern vor allem eine Folge des reduzierten Zuckerkonsums. Zucker gilt als Nährboden für entzündungsfördernde und schleimhautabbauende Bakterien und kann so die mikrobielle Vielfalt im Darm langfristig verringern. Wird Zucker hingegen durch kalorienfreie Süßstoffe ersetzt, entfällt dieser Belastungsfaktor. Dadurch erhalten nützliche Bakterien, insbesondere jene, die kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat produzieren, wieder mehr Raum. Das erklärt, warum in der SWEET-Studie die Darmflora der Süßstoffgruppe stabil blieb oder sich sogar leicht verbesserte – nicht, weil Süßstoffe ein „Superfood“ für das Mikrobiom wären, sondern weil der Zucker wegfiel, der es zuvor geschädigt hat.
  • Blutzucker & Stoffwechsel: Beide Gruppen blieben stabil. Keine Unterschiede bei Cholesterin, Blutzucker oder Blutdruck.
  • Kinder: zeigten eine gesunde Gewichtsentwicklung – Süßstoffe hatten keine negativen Effekte.

Die Forscher schlussfolgerten: Süßstoffe sind sicher, verändern das Mikrobiom nicht negativ und können beim Gewichtserhalt helfen.

Was heißt das jetzt für uns?

Für viele bedeutet das ein Stück Freiheit zurück: Wer abnehmen oder Zucker sparen will, darf mit gutem Gewissen zu Light-Produkten greifen. Süßstoffe können helfen, Kalorien zu sparen, ohne dass der Körper „verwirrt“ oder der Darm „gestört“ wird.

Das Entscheidende ist der Kontext – sie wirken am besten, wenn sie Teil einer insgesamt gesunden Ernährung sind. Denn wer seine Ernährung dauerhaft umstellt, aber auf Geschmack nicht verzichten muss, bleibt erfahrungsgemäß länger dran. Genau das hat die SWEET-Studie gezeigt.

Ein Comeback mit wissenschaftlichem Segen

Nach Jahrzehnten der Skepsis könnte die SWEET-Studie den Ruf der Süßstoffe rehabilitieren. Was lange als chemische Mogelpackung galt, entpuppt sich als nützlicher Helfer.

Die Geschichte der Süßstoffe begann vor fast 150 Jahren – und jetzt, im Jahr 2025, wissen wir endlich genauer, wie sie wirklich wirken. Kein Gift für den Darm, keine Falle fürs Gewicht, sondern ein Werkzeug, das – richtig eingesetzt – dabei hilft, den Zucker hinter sich zu lassen.

Ich empfehle als Ernährungsrichtlinie gerne die Paleo Plus Diät oder eine mediterrane Ernährungsweise – beide basieren auf naturbelassenen, unverarbeiteten Lebensmitteln, reich an Nährstoffen, Ballaststoffen und gesunden Fetten. Diese Ernährungsformen orientieren sich an dem, was unser Körper evolutionär kennt und was unsere Biochemie optimal unterstützt. Dennoch leben wir heute in einer modernen Welt, in der Ernährung nicht nur natürlich, sondern auch strategisch sein darf. Wenn wissenschaftlich belegt ist, dass bestimmte moderne Substanzen – wie kalorienfreie Süßstoffe – keinen Schaden anrichten, können sie in Maßen sogar sinnvoll integriert werden. Sie ermöglichen es, Genuss und Gesundheitsbewusstsein zu verbinden, ohne den Stoffwechsel oder das Mikrobiom zu belasten. Entscheidend ist der Gesamtkontext: eine nährstoffreiche, entzündungsarme Ernährung, in der Süßstoffe nicht den Platz echter Lebensmittel einnehmen, sondern als Werkzeug dienen, um Zucker dauerhaft zu reduzieren.

Energiereiche Grüße, 

Der Optimizer

Richard Staudner

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Quelle:
Pang, M. D., Kjølbæk, L., Bastings, J. J. A. J., Andersen, S. S. H., Umanets, A., Sost, M. M., Navas-Carretero, S., Reppas, K., Finlayson, G., Hodgkins, C. E., del Álamo, M., Lam, T., Moshoyiannis, H., Feskens, E. J. M., Adam, T. C. M., Goossens, G. H., Halford, J. C. G., Harrold, J. A., Manios, Y., … Raben, A. (2025). Effect of sweeteners and sweetness enhancers on weight management and gut microbiota composition in individuals with overweight or obesity: the SWEET study. Nature Metabolism, 7(10), 2083–2098. https://doi.org/10.1038/s42255-025-01381-z

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