Chronische Entzündung als Leistungskiller

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Richard Staudner

Der Optimizer

Entzündungen –  unser körpereigenes Notfallteam. Sie eilen herbei, wenn wir uns verletzen, bekämpfen Eindringlinge und helfen bei der Heilung. Eigentlich ein Segen, oder? Doch wie so oft im Leben gilt auch hier: Die Dosis macht das Gift. Was passiert, wenn dieses Rettungsteam nicht mehr nach Hause geht? Wenn es im Dauereinsatz bleibt, auch ohne akute Bedrohung?

Was ist eine chronische Entzündung?

Chronische Entzündung ist ein anhaltender Zustand, bei dem das Immunsystem dauerhaft aktiviert bleibt. Im Gegensatz zur akuten Entzündung, die eine normale und notwendige Reaktion des Körpers auf Verletzungen oder Infektionen darstellt, hält die chronische Entzündung über Wochen, Monate oder sogar Jahre an.

Einige Risikofaktoren für chronische Entzündung:

  1. Andauernde Exposition gegenüber Reizstoffen (z. B. Umweltgifte, Allergene)
  2. Autoimmunerkrankungen
  3. Anhaltender Stress
  4. Ungesunde Ernährung (reich an verarbeiteten Lebensmitteln, Zucker und gesättigten Fetten)
  5. Übergewicht und Adipositas
  6. Bewegungsmangel
  7. Schlafmangel oder schlechte Schlafqualität

Welche Erkrankungen wurden mit chronischer Entzündung in Verbindung gebracht?

Fast alle! Sie werden mit einer extrem breiten Palette von gesundheitlichen Problemen in Verbindung gebracht, die verschiedene Organsysteme betreffen können. 

1. Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Chronische Entzündungen tragen maßgeblich zur Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei. Bei der Arteriosklerose führen entzündliche Prozesse zur Bildung von Plaques in den Arterien, die diese verengen und verhärten. Dies erhöht das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle. Entzündungsmediatoren können auch direkt das Herzgewebe schädigen und zu Herzinsuffizienz führen. Studien haben gezeigt, dass erhöhte Entzündungsmarker wie das C-reaktive Protein (kurz: CRP) mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse einhergehen. [1]

2. Typ-2-Diabetes

Bei Typ-2-Diabetes spielt chronische Entzündung eine doppelte Rolle. Einerseits kann sie zur Entstehung der Insulinresistenz beitragen, einem Hauptmerkmal von Typ-2-Diabetes. Entzündungsmediatoren wie TNF-alpha beeinträchtigen die Insulinsignalwege in den Zellen. Andererseits kann ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel selbst entzündliche Prozesse im Körper auslösen und verstärken, was zu einem Teufelskreis führt. Chronische Entzündungen tragen auch zu diabetischen Folgeerkrankungen wie Neuropathie und Retinopathie bei. [2]

3. Krebs

Anhaltende Entzündungsprozesse können die DNA schädigen und zu genetischen Mutationen führen, die die Krebsentstehung begünstigen. Zudem schaffen Entzündungen ein Mikroumfeld, das das Wachstum und die Ausbreitung von Tumorzellen fördert. [3]

4. Autoimmunerkrankungen

Bei Autoimmunerkrankungen richtet sich das Immunsystem fälschlicherweise gegen körpereigene Strukturen. Chronische Entzündungen spielen hier eine zentrale Rolle. Die genauen Mechanismen, die zur Fehlregulation des Immunsystems führen, sind Gegenstand intensiver Forschung. [4]

5. Neurodegenerative Erkrankungen

Chronische Entzündungsprozesse im Gehirn werden zunehmend als wichtiger Faktor bei der Entstehung und Progression neurodegenerativer Erkrankungen erkannt. Bei Alzheimer tragen entzündliche Prozesse zur Ablagerung von Plaque bei. Bei Parkinson spielen sie eine Rolle beim Absterben dopaminproduzierender Nervenzellen. Die Kontrolle der Neuroinflammation wird als vielversprechender Ansatz in der Prävention und Behandlung dieser Erkrankungen erforscht. [5]

6. Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind die Hauptvertreter der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Hier führen überschießende Entzündungsreaktionen zu einer Schädigung der Darmschleimhaut. Das kann zu Symptomen wie Durchfall, Bauchschmerzen und Gewichtsverlust führen. Langfristig erhöhen diese Erkrankungen auch das Risiko für Darmkrebs. Die genauen Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt, aber man geht von einem Zusammenspiel aus genetischer Veranlagung, Umweltfaktoren und Störungen des Darmmikrobioms aus. [6]

7. Asthma und andere chronische Lungenerkrankungen

Bei Asthma und der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (kurz: COPD) spielen chronische Entzündungsprozesse in den Atemwegen eine Schlüsselrolle. Sie führen zu einer Verengung der Bronchien und erhöhter Schleimproduktion, was die Atmung erschwert. Bei Asthma kann dies zu akuten Anfällen führen, während bei COPD eine fortschreitende Verschlechterung der Lungenfunktion beobachtet wird. Umweltfaktoren wie Luftverschmutzung und Rauchen können diese entzündlichen Prozesse verstärken. [7]

8. Osteoporose

Obwohl Osteoporose primär als Störung des Knochenstoffwechsels betrachtet wird, zeigen neuere Forschungen, dass chronische Entzündungen eine wichtige Rolle bei der Krankheitsentstehung spielen. Entzündungsmediatoren können den Knochenabbau fördern und den Knochenaufbau hemmen. Dies führt zu einer verminderten Knochendichte und erhöhten Frakturanfälligkeit. Besonders bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis ist das Osteoporose-Risiko erhöht. [8]

9. Depressionen und andere psychische Störungen

Die Verbindung zwischen chronischen Entzündungen und psychischen Erkrankungen, insbesondere Depressionen, gewinnt zunehmend an Aufmerksamkeit.  Entzündungsprozesse können die Produktion und den Abbau von Neurotransmittern beeinflussen und so zu Stimmungsschwankungen und depressiven Symptomen beitragen. Zudem kann Neuroinflammation die Plastizität des Gehirns beeinträchtigen, was sich auf kognitive Funktionen und emotionale Regulation auswirken kann. [9]

Was ist Silent Inflammation?

Silent Inflammation, auch als „stille“ oder „unterschwellige“ Entzündung bekannt, ist eine Form der chronischen Entzündung, die im Körper abläuft, ohne dass offensichtliche Symptome auftreten. Sie wird oft als „silent“ bezeichnet, weil sie unbemerkt bleibt, bis sie zu ernsthaften Gesundheitsproblemen führt.

Merkmale der Silent Inflammation:

  • Schleichender Verlauf ohne akute Symptome
  • Kann jahrelang unentdeckt bleiben
  • Betrifft oft mehrere Organsysteme gleichzeitig
  • Trägt zur Entstehung verschiedener chronischer Krankheiten bei [10]

Was ist Neuroinflammation?

Neuroinflammation bezieht sich auf Entzündungsprozesse im Nervensystem, insbesondere im Gehirn und Rückenmark. Sie spielt eine wichtige Rolle bei verschiedenen neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen.

Charakteristika der Neuroinflammation:

  • Aktivierung von Immunzellen im Gehirn (Mikroglia und Astrozyten)
  • Erhöhte Produktion von entzündungsfördernden Botenstoffen
  • Beeinträchtigung der Blut-Hirn-Schranke

Auswirkungen der Neuroinflammation:

  1. Beitrag zur Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen
  2. Beeinträchtigung kognitiver Funktionen (Gedächtnis, Konzentration, Lernfähigkeit)
  3. Mögliche Rolle bei der Entwicklung von Depressionen und anderen psychischen Störungen
  4. Verstärkung von Schmerzen, insbesondere bei chronischen Schmerzsyndromen [11]

Entzündung als Energieräuber

Auswirkungen auf den Energiehaushalt des Körpers

Chronische Entzündungen können den Energiehaushalt des Körpers erheblich beeinträchtigen: [12]

  1. Erhöhter Grundumsatz: Der Körper verbraucht mehr Energie für Immunprozesse
  2. Störung des Glukosestoffwechsels: Entzündungen können zu Insulinresistenz führen
  3. Beeinträchtigung der Nährstoffaufnahme im Darm
  4. Veränderung des Hormonhaushalts, was den Energiestoffwechsel beeinflusst

Beeinträchtigung der Mitochondrien-Funktion

Mitochondrien, die „Kraftwerke“ unserer Zellen, werden durch chronische Entzündungen negativ beeinflusst:

  1. Oxidativer Stress schädigt die Mitochondrien-Membran
  2. Entzündungsmediatoren stören die mitochondriale DNA
  3. Verringerte ATP-Produktion (Energiemoleküle)
  4. Beeinträchtigte mitochondriale Biogenese (Neubildung von Mitochondrien) [13]

Folgen für die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit

Die Energieräuber-Effekte chronischer Entzündungen haben weitreichende Folgen:

  1. Anhaltende Müdigkeit und Erschöpfung
  2. Verminderte körperliche Ausdauer und Kraft
  3. Eingeschränkte kognitive Leistungsfähigkeit (Konzentration, Gedächtnis)
  4. Erhöhte Anfälligkeit für Stress
  5. Längere Regenerationszeiten nach körperlicher oder geistiger Anstrengung

Wie kannst du chronische Entzündungen erkennen?

Die Erkennung chronischer Entzündungen kann herausfordernd sein, da die Symptome oft subtil und unspezifisch sind. Hier einige Anzeichen und Diagnosemöglichkeiten:

Mögliche Symptome:

  1. Gleichgewichtsprobleme
  2. Gehirnnebel
  3. Niedrige Energie
  4. Trockene Augen
  5. Übermäßige Schleimproduktion
  6. Blutgerinnungsprobleme
  7. Insulinresistenz
  8. Schlechte Verdauung
  9. Hautsymptome
  10. Rückenschmerzen im unteren Bereich
  11. Geschwollene Lymphknoten [14]

Diagnosemöglichkeiten:

  1. Blutuntersuchungen auf Entzündungsmarker:
    • C-reaktives Protein (CRP)
    • Erythrozytensedimentationsrate (ESR)
    • Interleukin-6 (IL-6)
    • Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-α)
  2. Untersuchung auf spezifische Autoantikörper
  3. Bildgebende Verfahren (z. B. MRT) bei Verdacht auf organspezifische Entzündungen
  4. Stuhluntersuchungen bei Verdacht auf Darmentzündungen
  5. Umfassende ärztliche Anamnese und körperliche Untersuchung

Fazit

Jetzt weißt du, dass mit chronischen Entzündungen nicht zu spaßen ist. Sie sind ein systemisches Problem, das vielfältige negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit hat, von erhöhten Krankheitsrisiken bis hin zu zellulärer Schädigung und Energiemangel.
Die gute Nachricht: Es gibt viele präventive Maßnahmen zur Reduzierung chronischer Entzündungen, die Entzündungswerte senken lassen und daher für die Erhaltung des alltäglichen Energieniveaus unerlässlich sind. 

Literaturverzeichnis:

  1. www.hopkinsmedicine.org
  2. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  3. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  4. www.ncbi.nlm.nih.gov
  5. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  6. www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  8. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  9. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  10. cemed.co.uk
  11. www.ncbi.nlm.nih.gov
  12. www.ncbi.nlm.nih.gov
  13. www.spandidos-publications.com
  14. www.verywellhealth.com

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