Cholesterin: Die wahre Ursache von Plaques und Arterienverkalkung

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Richard Staudner

Der Optimizer

Mehr als nur Fettablagerung: Warum Entzündungen im Gefäßsystem der wahre Treiber sind.

In der öffentlichen Diskussion wird die Atherosklerose oft vereinfacht dargestellt – zu viel Cholesterin verstopft die Adern. Doch die Realität ist deutlich komplexer – und spannender. Moderne Forschung zeigt, dass Plaques nicht durch Fettablagerung entstehen, sondern durch eine chronische Immunreaktion im Gefäßsystem. Hier erklären wir dir Schritt für Schritt, wie es wirklich zur sogenannten Arterienverkalkung kommt – und was das mit Entzündung, Lipoproteinen und deinem Lebensstil zu tun hat.

Es beginnt mit dem Endothel – der Schutzschicht deiner Gefäße

Das Endothel ist die feine Zellschicht, die deine Blutgefäße von innen auskleidet. Du kannst es dir vorstellen wie die Tapete deiner Gefäßwände. Es reguliert den Blutfluss, den Austausch von Nährstoffen und schützt vor Eindringlingen. Doch dieser Schutzschild ist sensibel. Es reagiert auf:

  • Bluthochdruck
  • Blutzuckerspitzen
  • Rauchen und Umweltgifte (1)
  • Oxidativen Stress (2)
  • Chronische Entzündung im Körper (3)

Solche Reize führen zu einer endothelialen Dysfunktion – die Gefäßwand wird durchlässig und verliert ihre Schutzfunktion.

ApoB-haltige Partikel dringen ein

Wenn das Endothel geschädigt ist, können Lipoproteine wie LDL (Low-Density-Lipoprotein) oder VLDL in die Gefäßwand eindringen. Besonders problematisch sind kleine, dichte LDL-Partikel oder solche, die bereits oxidiert wurden (oxLDL). (4,5) 

Diese Partikel tragen das Protein ApoB – und genau dieses Eiweiß macht sie für unser Immunsystem sichtbar. Entscheidend ist also nicht die Gesamtmenge an Cholesterin, sondern die Anzahl der ApoB-haltigen Partikel, die im Blut zirkulieren. Sie sind der wahre Risikofaktor für Atherosklerose.

Das Immunsystem greift ein

Unser Körper erkennt oxidiertes LDL als Gefahr – ähnlich wie einen Krankheitserreger. Makrophagen (Fresszellen) nehmen das modifizierte LDL auf und verwandeln sich in sogenannte Schaumzellen. Das ist der Beginn einer chronischen Entzündung in der Gefäßwand. (6,7) 

Diese Immunantwort zieht weitere Entzündungszellen an, es kommt zur Zellvermehrung, Gewebeumbau und Einlagerung von Lipiden – ein Plaque entsteht. Es handelt sich also nicht um eine „Verstopfung“, sondern um eine entzündliche Reaktion des Körpers auf Zellstress.

Aus Entzündung wird Struktur – der atherosklerotische Plaque

Im Verlauf der Atherosklerose entwickelt sich aus der chronischen Entzündungsreaktion eine komplexe Plaquestruktur mit charakteristischen Merkmalen:

  • Nekrotischer Kern:
    Im Inneren des Plaques bildet sich eine lipidreiche, zellfreie Zone, bestehend aus abgestorbenen Makrophagen, Schaumzellen und Zelltrümmern. Diese Region ist hoch thrombogen und spielt eine zentrale Rolle bei der Instabilität des Plaques (8).
  • Faserkappe:
    Die äußere Schicht des Plaques, die sogenannte Faserkappe, besteht hauptsächlich aus glatten Muskelzellen und Kollagenfasern. Sie trennt den nekrotischen Kern vom Blutstrom und bestimmt durch ihre Dicke und Integrität die Stabilität des gesamten Plaques (9).

Solange die Faserkappe stabil bleibt, kann der Blutfluss ungestört passieren. Wird sie jedoch dünner oder durch Entzündungsprozesse geschwächt, steigt die Gefahr eines Risses. Dabei wird der thrombogene Kern freigelegt – die Voraussetzung für eine akute Thrombusbildung. Entscheidend für die Stabilität der Kappe sind Faktoren wie die Aktivität von Entzündungszellen, die Produktion von Matrix-Metalloproteinasen (MMPs) und die Apoptose glatter Muskelzellen. Ein Ungleichgewicht dieser Prozesse erhöht das Risiko einer Ruptur deutlich.

Der Moment der Wahrheit: Plaqueruptur & Thrombus

Reißt eine instabile Plaque, tritt das darunterliegende Material in direkten Kontakt mit dem Blutstrom. Der Körper reagiert sofort mit der Bildung eines Blutgerinnsels (Thrombus), um die verletzte Stelle abzudichten (11).

Dieses Gerinnsel kann das betroffene Gefäß abrupt verschließen – der eigentliche Mechanismus hinter akuten Herzinfarkten oder Schlaganfällen. Nicht die schleichende Verengung, sondern die plötzliche Ruptur eines instabilen Plaques stellt die größte Gefahr dar (11).

Fazit: Atherosklerose ist eine chronische Entzündung – nicht einfach eine Fettablagerung

Atherosklerose ist heute als chronisch-entzündlicher Prozess der Gefäßwand anerkannt. Entscheidend ist dabei nicht allein die Höhe des Cholesterinspiegels, sondern die Anzahl und Beschaffenheit ApoB-haltiger Lipoproteinpartikel, die in die Gefäßwand eindringen können. Entzündliche Reaktionen auf oxidierte Lipoproteine und eine gestörte Endothelfunktion fördern die Entstehung instabiler Plaques. Cholesterin spielt dabei eine doppelte Rolle: Es ist sowohl Bestandteil notwendiger Reparaturmechanismen als auch, bei chronischer Belastung und Dysbalance, Mitverursacher pathologischer Veränderungen. Entscheidend für die Prävention ist daher nicht nur die Reduktion klassischer Risikofaktoren, sondern auch die gezielte Kontrolle von Entzündungsprozessen und eine moderne Diagnostik, die Parameter wie ApoB, Lp(a) und hsCRP berücksichtigt.

Was du rund um Gefäßgesundheit selbst tun kannst! 

  • Entzündungsquellen erkennen und reduzieren: Stressmanagement, anti-entzündliche Ernährung, Minimierung von Umweltgiften.
  • Endothelfunktion schützen: Regelmäßige Bewegung, guter Schlaf, Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren, Taurin oder Citrullin und antioxidative Pflanzenstoffe (Polyphenole).
  • Mikronährstoffdepots auffüllen: Eine ausgewogene Versorgung stärkt das Immunsystem und unterstützt die Gefäßgesundheit.
  • Moderne Labordiagnostik nutzen: Parameter wie ApoB, Lp(a), hsCRP und oxLDL geben ein genaueres Bild als nur Gesamtcholesterin oder LDL-Werte.

In den folgenden Artikeln erfährst du mehr über moderne Labortests zu Cholesterin und den Einfluss genetischer Faktoren auf dein individuelles Risiko. 

Quellen:

  1. Jia, X., Zhang, P., Meng, L. et al. The association between smoking exposure and endothelial function evaluated using flow-mediated dilation values: a meta-analysis. BMC Cardiovasc Disord 24, 292 (2024). https://doi.org/10.1186/s12872-024-03915-x
  2. Shaito A, Aramouni K, Assaf R, Parenti A, Orekhov A, Yazbi AE, Pintus G, Eid AH. Oxidative Stress-Induced Endothelial Dysfunction in Cardiovascular Diseases. Front Biosci (Landmark Ed). 2022 Mar 18;27(3):105. doi: 10.31083/j.fbl2703105. PMID: 35345337.
  3. Castellon X, Bogdanova V. Chronic Inflammatory Diseases and Endothelial Dysfunction. Aging Dis. 2016 Jan 2;7(1):81-9. doi: 10.14336/AD.2015.0803. PMID: 26815098; PMCID: PMC4723236.
  4. Vekic J, Zeljkovic A, Cicero AFG, Janez A, Stoian AP, Sonmez A, Rizzo M. Atherosclerosis Development and Progression: The Role of Atherogenic Small, Dense LDL. Medicina (Kaunas). 2022 Feb 16;58(2):299. doi: 10.3390/medicina58020299. PMID: 35208622; PMCID: PMC8877621.
  5. Rikhi R, Schaich CL, Hafzalla GW, Patel NA, Tannenbaum JE, German CA, Polonsky T, Tsai MY, Ahmad MI, Islam T, Chevli PA, Shapiro MD. Small dense low-density lipoprotein cholesterol and coronary artery calcification in the Multi-Ethnic Study of Atherosclerosis. Eur J Prev Cardiol. 2024 Jun 3;31(8):1048-1054. doi: 10.1093/eurjpc/zwae049. PMID: 38323698; PMCID: PMC11144463.
  6. Yuzhou Gui, Hongchao Zheng, Richard Y. Cao, Foam Cells in Atherosclerosis: Novel Insights Into Its Origins, Consequences, and Molecular Mechanisms
  7. King SD, Cai D, Pillay A, Fraunfelder MM, Allen LH, Chen SY. SPA Promotes Atherosclerosis Through Mediating Macrophage Foam Cell Formation-Brief Report. Arterioscler Thromb Vasc Biol. 2024 Nov;44(11):e277-e287. doi: 10.1161/ATVBAHA.124.321460. Epub 2024 Oct 3. PMID: 39360411; PMCID: PMC11499019.
  8. Fumiyuki Otsuka, Satoshi Yasuda, Teruo Noguchi, Hatsue Ishibashi-Ueda Pathology of coronary atherosclerosis and thrombosis
  9. Alonso-Herranz L, Albarrán-Juárez J, Bentzon JF. Mechanisms of fibrous cap formation in atherosclerosis. Front Cardiovasc Med. 2023 Aug 21;10:1254114. doi: 10.3389/fcvm.2023.1254114. PMID: 37671141; PMCID: PMC10475556.
  10. www.sciencedirect.com
  11. Bentzon JF, Otsuka F, Virmani R, Falk E. Mechanisms of plaque formation and rupture. Circ Res. 2014 Jun 6;114(12):1852-66. doi: 10.1161/CIRCRESAHA.114.302721. PMID: 24902970.

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