Eisbaden ist längst kein Nischenthema mehr. Neben der Anwendung zur Regeneration im Sport, sind regelmäßige Kälteanwendungen auch ein wirksames Mittel, wenn es um Gesundheit und Wohlbefinden geht. Heißt es zumindest in vielen Lifestyle-Magazinen.
Es ist daher kaum eine Überraschung, dass diese Praktik mehr und mehr Aufmerksamkeit in der Gesellschaft, aber auch in der Therapie bekommt. Natürlich ist nicht nur Eisbaden wirkungsvoll, auch Kältekammern und kühlende Kleidung erfreuen sich immer mehr Beliebtheit. Selbst sich leicht bekleidet in den Wintermonaten draußen aufzuhalten, hat schon einen therapeutischen Effekt in vielerlei Hinsicht. Welche positiven Effekte Kälte hat, möchte ich euch in diesem Beitrag vermitteln.
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Was uns nicht umbringt macht uns stärker?
Aber warum ist etwas so Unbehagliches so gut für uns? Eisbaden ist doch einfach nur unangenehm, oder? Und für den Körper obendrein ein weiterer Stressor. Es hieß doch immer “Ziehe dich warm an, nicht dass dir kalt ist, sonst wirst du krank”!
Und jetzt soll Kälte gesund sein?
Vielfach liegt der Grund in der Überlebensreaktion des Körpers. Wenn wir uns der Kälte aussetzen, reagiert der Körper mit der sogenannten “Cold Shock Response”, die sich auf vielen Ebenen des Körpers, wie Herz-Kreislauf-System, Hormonsystem, Immunsystem etc. zeigt. Für dich spürbar an den den ersten 30 Sekunden zum Beispiel in kaltem Wasser. Die Kälte brennt auf der Haut und die Atmung wird schnell.
Der Der Körper passt sich aber auf Dauer an diesen wiederkehrenden Kälte-Shock an und wird dadurch sogar stärker. Man kann sich das vorstellen wie bei Krafttraining: Leichte regelmäßige Belastung führt zur minimalen Gewebeschäden und in weiterer Folge zum Muskelaufbau. Der Körper passt sich an, um nicht dauerhaft überfordert zu werden. Superkompensation nennt man es in der Sportwissenschaft. Oder auch Hormesis Prinzip! Ein wenig Gift gegen die Krankheit kann man sagen.
Zugegeben in diesem Artikel stecken viele beeindruckende medizinische Informationen. Daher, wenn du es gleich wissen willst: Durch regelmäßiges Eisbaden werden Immunsystem, Herz-Kreislauf-System, antioxidatives System und Hormonsystem abgehärtet! Deine Psyche wird gestärkt und das Wohlbefinden verbessert. Auch wenn es augenscheinlich bereits viele Studien zu geben scheint, steckt die Forschung noch in den Kinderschuhen und wir freuen uns auf viele kommende Ergebnisse. Scroll ruhig durch die Überschriften um die für Dich interessanten Stellen zu finden.
Wissenschaftlicher Disclaimer:
Das Thema Eisbaden und Gesundheit wird erst seit kürzerem intensiver erforscht, weshalb die Qualität der Daten allgemein noch nicht auf wünschenswertem Level ist. Mit diesem Artikel kann ich nicht immer handfeste Beweise liefern, vielmehr möchte ich aber anhand von Studien die Möglichkeiten, Vor- und Nachteile von Eisbaden auflisten und das enorme Potential aufzeigen. Also genieße die Informationen mit entsprechender Vorsicht 😉
Mental Health und Wohlbefinden
Fangen wir mal mit der mentalen Gesundheit an. Hier werden meist standardisierte Fragebögen verwendet um regelmäßige WinterschwimmerInnen (“WS”= Menschen, die im Winter in kalten Gewässern baden) mit einer Kontrollgruppe zu vergleichen: Dabei zeigt sich, dass Winterschwimmer weniger Stress, negative Erinnerungen und Erschöpfung empfinden. Gleichzeitig wird das wahrgenommene Wohlbefinden gesteigert und mehr Elan an den Tag gelegt (1–3).
Wie immer in der Wissenschaft, ist nicht alles eindeutig! In Sachen mentaler Gesundheit fand eine Studie keine Unterschiede, sie untersuchte als Kontrollgruppe FreundInnen der WS (4).
Regelmäßiges Winterschwimmen kann also laut einiger Studien die Stimmung heben und nebenbei Stress mindern. Jetzt interessiert uns natürlich: Zeigt sich das auch an den Stresshormonen? Kann man das auch wissenschaftlich belegen?
Hormone
Wenn man sich in das kalte Wasser begibt, steigt der Cortisolspiegel zuerst einmal an. Cortisol ist ein Hormon, welches dem Körper Stress signalisiert und den Überlebensinstinkt aktiviert. Im Moment des kalten Bads empfindet der Körper also jede Menge Stress. Denn obwohl das Stresshormon akut in die Höhe schießt, sind diese Werte in Ruhe nicht erhöht bei Winterschwimmern (1,5–8). Das kann bedeuten, dass die akute Cortisolproduktion im Eisbad, die generelle Produktion im Alltag niedriger hält. Also wir resilienter werden oder, einfach gesagt, stressresistenter.
Science: Das Stresshormon Cortisol erhöht vermutlich die Wärmeproduktion durch den erhöhten Metabolismus von Glucose und Fetten und beeinflusst die Ausschüttung weiterer Botenstoffe. Cortisol hat normalerweise einen natürlichen, täglichen Rhythmus und bereits 1 Stunde nach dem Eisbaden befinden sich die Cortisolwerte wieder im Rahmen dieses Rhythmus (7).
Aber was passiert weiter in unserem Hormonhaushalt?
Adrenalin und Noradrenalin werden durch das Eisbaden auch akut erhöht (5), bei Männern vielleicht sogar stärker als bei Frauen (9).
Bei regelmäßigem Winterschwimmen nehmen die Baseline-Werte aber ab, das zeigt eine Anpassung des Körpers. Der Körper reagiert nicht mehr so gestresst auf die Kälte. (10–12). Ähnlich wie bei Cortisol. Und auch passend zum Hormesis Prinzip.
Adrenalin und Noradrenalin aktivieren den Stoffwechsel und somit die Wärmeproduktion. Die Kälteanpassung vermindert die Aktivität dieser Stoffe und zeigt so bessere Isolation. Der Körper kann die Kälte also besser abhalten (12).
Science: Adrenalin und Noradrenalin wirken auf beta1 und beta2 adrenerge Rezeptoren. Über diese vermitteln sie ihre Wirkungen, wie zum Beispiel erhöhte Herzfrequenz. WS erhöhen bei Aktivierung dieser Rezeptoren ihren Grundumsatz nicht und die Herzfrequenz um einen kleineren Prozentsatz als untrainierte WS. Gleichzeitig konnte aber ein stärkerer gefäßverengender Effekt bei WS festgestellt werden. Die (In-)Aktivität dieser adrenergen Rezeptoren könnte ein Teil der Anpassungsmechanismen sein (13).
Auch die Schilddrüsenhormone werden in ihrer Zusammensetzung verändert. Da Schilddrüsenhormone ausschlaggebend für die Regulation der Stoffwechselaktivität sind, könnte dies ein Mechanismus zur Produktion der zitterfreien Wärme sein. In der Studie (14) hat sich auch gezeigt, dass bei Aktivierung der relevanten Rezeptoren geübte und ungeübte WS unterschiedlich reagieren. Geübte WS nutzen zur Wärmeproduktion die Energie aus Fett, Ungeübte nutzen die Energie aus Kohlenhydraten. Auch über die akute Erhöhung des sogenannten Parathormons könnten WS die Fettverbrennung ankurbeln. (14)
Beim Insulinspiegel wurde ein Anstieg (15) und bei Vitamin D ein Abfall beobachtet (16). Beim Vitamin D ist aber nicht geklärt, ob nicht einfach Wintermonate und geringe Sonneneinstrahlung der Grund dafür sind. Ich vermute hier keinen Zusammenhang mit Eisbaden.
Heureka! Eisbaden stärkt das Immunsystem!
Meist wenn wir von Eisbaden hören, wird uns erzählt, dass es das Immunsystem stärkt. Aber ist das so? Und was ist überhaupt das Immunsystem genau?
Tatsächlich setzt sich unser Immunsystem aus mehreren Komponenten zusammen. Zunächst gibt es eine mechanische Barriere, zum Beispiel unsere Haut, aber auch die Darmwand. Hier hat man bisher keine Wirkungen von Eisbaden untersucht.
Dann gibt es die Zellen des Immunsystems. Sie bekämpfen aktiv Erreger und unerwünschte Stoffe. Eisbaden beeinflusst diese Zellen sowohl akut als auch bei regelmäßigem Eisbaden. Die Studien ergeben hier unterschiedliche Ergebnisse, allgemein zeigt sich aber eine Erhöhung einiger Zellzahlen (6,17,18), was für eine bessere Bereitschaft des Immunsystems spricht. Manche Forschungsgruppen fanden auch unveränderte Gehalte (19,20). Aber was wären wir ohne differenten wissenschaftlichen Aussagen 🙂
Weiters gibt es dann die Proteine des Immunsystems. Das sind einerseits die Antikörper und andererseits die Botenstoffe. Die Ersten kennen wir mittlerweile allzu gut, sie sind dazu da, Krankheitserreger zu markieren und aktivieren das restliche Immunsystem. Später können sie für Immunität gegen bereits bekämpften Krankheiten sorgen. Bei regelmäßigem WS können die Antikörper weitgehendst reduziert werden, mit Ausnahme einer Gruppe, der IgA, diese werden erhöht. (1,8,21)
Wie ist das jetzt zu verstehen? Antikörper sind doch gut, die wollen wir doch nicht reduzieren? Tatsächlich zeigen die Ergebnisse vermutlich, dass die erste Abwehrlinie des Immunsystems (mit den IgA) gestärkt wird, so dringen weniger Krankheitserreger gar soweit vor, dass weitere Antikörper gebildet werden müssen. Interessanterweise findet nur eine bereits ältere Studie hier keine Veränderungen (20).
Die Botenstoffe des Immunsystems zählen auch zu den erwähnten Proteinen. Sie gelten als Entzündungs-Modulatoren und sind oft unerwünscht, da sie Entzündungen fördern und dies auf Dauer schlecht für den Körper ist. Es gibt eine Vielzahl von diesen Stoffen, daher ist es schwierig sie alle in einen Topf zu werfen. Es ist aber auch nicht sinnvoll hier die Relevanz aller einzelnen und deren Beeinflussung durch Eisbaden zu beschreiben. Die Ergebnisse zeigen entweder eine akute Erhöhung bei einmaligem Eisbaden und darauffolgend die Senkung der Baseline-Werte über Langzeit (6,7), oder keinen Einfluss (1,5,22). Schlecht scheint es jedenfalls nicht zu sein.
Trotz all dem Fachsimpeln der einzelnen Komponenten interessiert uns aber am Ende doch eigentlich nur eines: Werde ich durch Eisbaden seltener krank?
Ein paar wenige Gruppen haben versucht die tatsächlichen Erkrankungszahlen zu untersuchen, dabei lässt sich aber nie die Voreingenommenheit der WS eliminieren. Hier ein paar Ergebnisse:
- Winterschwimmer sind nicht seltener krank, aber bewerten die Krankheiten mit geringerer Intensität (1)
- WS bekommen weniger oft Infektionen als ihre PartnerInnen (nicht WS), aber gleich viele wie Indoor-Schwimmende. (23) Daraus lässt sich vermuten, dass das Eisbaden, bezogen auf das Immunsystem, einen ähnlichen Effekt hat wie Sport.
- Bei COPD PatientInnen führen regelmäßige Kneippkuren zu weniger Atemwegsinfektionen nach Abschluss der Kur als vorher, nicht aber währenddessen (17)
- Beim Schwimmen im Meer, sowohl im Sommer als auch im Winter treten mehr Krankheiten auf (Haut- und Ohrbeschwerden, sowie allgemeine Krankheitssymptome) (24). Das könnte uns zeigen, wie wichtig sauberes Wasser für unsere Gesundheit ist, egal ob im Sommer im lauwarmen oder im Winter im kalten Wasser.
Wie die Kälte auf das Herz-Kreislauf-System wirkt
Einleitend haben wir ja schon einmal von der Cold-Shock-Response gesprochen. Die zeigt sich größtenteils am Herz-Kreislauf-System: Der Puls schießt nach oben, das Herz pumpt mehr Blut, wir schnappen nach Luft und neigen zum Hyperventilieren, in den Gliedmaßen und an der Haut werden die Gefäße verengt und es kommt daher dort zu verminderter Durchblutung. Dafür ist mehr Blut in der Körpermitte zu finden. (10,20)
Akut ist das Ganze natürlich ein enormer Stress für das Herz, besonders der linke Herzventrikel wird stark beansprucht. Daher kann es bei Menschen mit Vorerkrankungen zu Arrhythmien kommen, was fatale Folgen hätte. Dies sollte man daher unbedingt vorher abklären lassen. (25,26)
Die gute Nachricht: Es wird besser! Der Körper gewöhnt sich daran und die Cold-Shock-Response wird abgeschwächt, wenn man regelmäßig eisbadet. (10)
Aber es wird nicht nur weniger schlimm, sondern richtig gut! Auf Dauer kann der Blutdruck gesenkt (16,20) und der maximale Ausatemstrom erhöht (17) werden.
Auch können Risikofaktoren für Herzkreislauferkrankungen verbessert werden. Dazu zählt etwa der Anstieg an Enzymen, die vor Arteriosklerose (=Gefäßverkalkung) schützen können, oder reduziertes Homocystein, ein Stoffwechselprodukt, welches als Anzeiger für Alterung und Krankheiten erforscht wird. Wichtige Marker für Blutfettwerte, unter anderem LDL bei Frauen, werden verbessert. Auch werden die blutverklumpenden Thrombozyten reduziert und die Erythrozyten erhöht. Dies bedeutet vor allem einen verbesserten Sauerstofftransport. (21,27,28)
Kontrovers ist hier eine Studie aus China, welche bei WS ein erhöhtes Risiko für Herzkreislauferkrankungen und eine (minimalst) höhere Gesamtsterblichkeit beschreibt. Leider ist die Studie original in Chinesisch, die Methodik nur sehr kurz beschrieben, Berechnungen nicht erläutert und es bleiben viele Fragen offen. Eine kurze Recherche ergibt beispielsweise auch sehr schlechte Meerwasserqualität in dieser Region (29,30). Ich schenke dieser Studie wenig Aufmerksamkeit bzw. Vertrauen, aber ich wollte sie der Fairness halber hier erwähnen.
Alles in allem, scheint Eisbaden dem (gesunden) Herz-Kreislauf-System enorme Vorteile aus verschiedenen Blickwinkeln zu bringen. Das ist wirklich fantastisch!
Unser gutes altes antioxidatives System
Diese Auflistung wäre nicht komplett ohne den immer wiederkehrenden Antioxidantien. Wir haben in unserem Körper ein ausgeklügeltes antioxidatives System. Es ist dafür verantwortlich sehr reaktive, schädliche Stoffe zu entschärfen und für die Ausscheidung vorzubereiten. Die Stoffe entstehen einfach im Alltag, aber vermehrt bei Stress, Sport, ungesunder Ernährung oder Krankheiten. Das antioxidative System des Körpers kann man sich wie ein Haufen vieler kleiner Akkus vorstellen. Jedes Mal, wenn sie Radikale entschärfen, geht etwas “Energie” verloren und sie werden entladen. Damit sie wieder neue Radikale entschärfen können, müssen sie wieder aufgeladen werden. Man kann an dem “Ladestand” erkennen wie erschöpft das antioxidative Potential des Körpers ist.
Nun und was hat das alles mit Eisbaden zu tun? Mittlerweile wissen wir, aus den vorherigen Zeilen, oder aus eigener Erfahrung, dass Eisbaden im ersten Moment Stress für den Körper bedeutet. Akut wird dadurch das antioxidative Potential ausgeschöpft und es fallen vermehrt Stressprodukte und Oxidationsprodukte an. (18,31)
Wieder lernt unser Körper aber mit dem Stress umzugehen und passt sich an: Das antioxidative System wird gestärkt, in Ruhe kann sozusagen ein deutlich besserer “Ladestand” an den metaphorischen Batterien abgelesen werden. Auch die Marker für Stress und Oxidation werden verringert. (18,31,32)
Es ist anzumerken, dass die individuellen Schwankungen in einer Studie mit Frauen höher waren, als die Veränderungen durch das Eisbaden, weshalb kein Trend vernommen werden kann (6). Die Autoren der anderen Studien schließen aus den Ergebnissen aber auf eine Abhärtung des oxidativen Systems. (18,32)
Mein Fazit zum Eisbaden
Auch wenn Eisbaden und alle anderen Formen der Kältetherapie noch nicht ausreichend erforscht wurden, kann ich hier von einer positiven Wirkung auf deine physische und psychische Gesundheit sprechen. Die Beweislage ist tendenziell gut, wird sich in den nächsten Jahren aber sicher noch verdichten.
Wichtig ist aber definitiv eines! Du solltest vor dem Start mit deinem vielleicht neuen Hobby Eisbaden unbedingt eine einwandfreie kardiologische Herz-Kreislauf-Gesundheit attestieren lassen. Kälte unterstützt das Herz, aber grundlegend nur wenn organisch alles fit ist. Bitte nimm das ernst!
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Wenn du dich viel mit der Kälte spielst, solltest du dein Immunsystem auch auf andere Wege stärken.
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Eisige Grüße und viel Spaß!
Dein Performance Optimizer & Biohacker
Richard Staudner
Quellen