Richard Staudner bei diePresse

Interview mit der Tageszeitung DiePresse “Gedopte Gene sind unter uns!”

Bild von Richard Staudner
Richard Staudner

The Optimizer

Ist Gen-Doping in Österreich bereits angekommen? Oder noch Zukunftsmusik? Die Tageszeitung „Die Presse“ lud mich am 26.11.2018 zu einem Interview zu diesem Thema ein. Hier kannst Du es nachlesen. 

1) Wie kamst du zum (Kraft-)Sport und was sind deine Prämissen hierbei?

Ich habe schon früh begonnen, mit etwa 14 Jahren war ich das erste mal mit meinem Bruder in einem Fitnessstudio in Wien. Mit 14 Jahren wollte ich nur dabei sein, ich hatte nicht mal ein Ziel. Wenige Jahre später entwickelte sich für mich ein physischer Leistungsgedanke daraus. also genau genommen stärker zu werden. Ästhetische Ziele konnten mich nie lange begeistern.

Vor 10 Jahren begann ich mit CrossFit und machte diesen Sport in Österreich populär. Im CrossFit ist Leistung definitiv ein wichtiger Faktor. 

2) Was macht den Reiz der Körpergestaltung aus?

Wenn wir von Körpergestaltung sprechen, dann von Bodybuilding, nicht von Kraftsport. Weiters sollten wir dann noch zwischen dem Profi-Bodybuilder und dem Hobby-Sportler differenzieren.   

Für die meisten Fitness-Enthusiasten die Bodybuilding als Hobby betreiben, steht die ästhetische Verbesserung ihrer Figur im Vordergrund, mit dem Ziel sich optisch von der Masse abzuheben. Es erscheint heute wichtiger den je, im Job und Privatleben mit einem gesunden Erscheinungsbild zu punkten. Dies kann sogar in einem Vorstellungsgespräch einen Unterschied machen, da es ein Gewisses Maß an Ehrgeiz signalisiert. Für viele ist es aber einfach nur wichtig Samstag Abends im Club eine gute Figur zu machen. Am Ende geht es für viele nur um die Verbesserung ihres Status in der Gesellschaft. 

Der Profi-Bodybuilder will auch zeigen, was er mit Disziplin und Fleiß mit seinem Körper schaffen kann. Für manche ist dies der Beruf mit dem sie Geld verdienen, wie für andere Feuerwehrmann oder Arzt. 

3) Doping ist ein Thema, das nicht nur im Spitzen-, sondern vor allem im Breitensport präsent ist: Wann ist es dir erstmals begegnet bzw. bist/warst du durch Klienten/Schilderungen von Freunden/Eigenerfahrung etc. damit befasst? 

Ich würde sagen, seit der Jahrtausendwende ist die Popularität zu dopen stark gestiegen. Die Vorbilder in Sport und Kino haben sich verändert, die Zugänge zu Dopingmittel wurden einfacher und das Internet kam langsam auf. 

Doping ist im Breitensport enorm stark vertreten. Der Zugang zu Dopingmittel ist sehr einfach und billig. In vielen Fitnessstudio sind “Händler” unterwegs. Es sind meisten junge Hobbysportler die sich so etwas dazu verdienen möchten. Die Ware kommt meist aus Untergrund-Laboren aus dem Ausland. Natürlich floriert auch der Onlinehandel mit diesen Substanzen. 

Der Ehrgeiz eine Medaille zu erlangen ist im Hobbysport und Profisport mittlerweile vergleichbar. Hobbysportler die damit nicht ihr Geld verdienen und trotzdem alles geben um eine Medaille zu gewinnen, für die es nicht mal Preisgelder gibt. Dann wird der Marathon oder Triathlon zum übertrieben ernst genommen Ziel um sich mit sich selbst zu messen. Dopingmittel werden hier gerne genommen um ein wenig nachzuhelfen. 

4) Du bietest Ausdauer-, aber auch Krafttraining an, trainierst/betreust verschiedenste Spitzensportler, hast also in diverse sportliche Bereiche Einblick: (Wo) Ist Doping Thema? Und: Welche Arten von Doping?

Ich betreue seit 10 Jahren Profis aus diversen Sportarten. Tennis, Football, Gewichtheben, Kampfsport, uvm. Die meisten denken bei Doping zuerst an Bodybuilding oder Kraftsport, das mag dort natürlich ein Thema sein. Was viele nicht wissen, Doping ist in nahezu jeder Sportart gegenwärtig. Von der rhythmischen Sportgymnastik bis zum Biathlon. Dieses Jahr gab es bei Olympischen Spiel in Korea einen Fall im Curling. Wer hätte das vermutet oder denken Sie an den Fall der Tennisspielerin Scharapowa. 

Es wird verständlicher, wenn man weiß dass Regeneration der Hauptgrund für Doping ist. Im Profisport geht es oft darum Leistung mehrere Male hintereinandern abzurufen. Oft stehen nur kurze Erholungszeiten zwischen den einzelnen Wettkämpfen zur Verfügung. 

Der Leistungsdruck von Seiten der Organisatoren, Sponsoren, Presse und auch der Fangemeinde ist oft enorm. Ein Profisportler hat oft nur ein kleines Zeitfenster in dem er erfolgreich sein kann und dies entscheidet oft über die finanzielle Zukunft. 

Nicht jeder kann nach seiner aktiven Karriere Trainer oder Kommentator werden.

Aber doping beschränkt sich nicht nur auf den Profi- und Breitensport.   

Manager greifen zu Kokain und Ritalin, Studenten schlucken Amphetamine um sich für Examen aufzuputschen und den Lernstress Herr zu werden. Selbst die alleinerziehende Kassierien am Land hilft nach um den alltäglichen Stress zu bewältigen. All das ist doping! 

5) Der einstige ZDF-Moderator Marcus Thomas hat ein Buch geschrieben, in dem er über seine Erfahrung mit Kraftsport schreibt und auch über ein Doping-Experiment. Zitat: „Die Nebenwirkungen waren drastisch. Mein ganzer Rücken war voller Pickel, ich hatte Schweißausbrüche und schlief keine Nacht mehr durch. Zudem kam es zu Gynäkomastie, die Brustdrüsen vergrößerten sich. Bodybuilder sprechen von ‚Bitch tits‘. Mein Körper wusste durch das viele Testosteron nicht mehr, wie ihm geschah.“ Kennst du ähnliche Geschichten?

Ja natürlich, wenn man beruflich in diesem Bereich zu tun hat, wird man früher oder später damit konfrontiert. In diversen Discount-Studios erkennt man gedopte Sportler oft in der Umkleide an denen von ihnen beschriebenen Nebenwirkungen. 

Viele dieser jungen Sportler verdrängen oder ignorieren bewusst die bekannten Nebenwirkungen. Akne und Gynäkomastie sind nur die Spitze des Eisbergs. Schädigung des Herz-Kreislauf-System oder langfristige Entgleisungen des Hormonhaushaltes sind die folgen. Die Gefahr eines Infarktes oder Schlaganfalles steigt enorm. Speziell bei Frauen sind die körperlichen Veränderungen offensichtlich, da die Natur dies so nicht vorgesehen hat.  

 

6) Ein vergleichsweise neuer „Trend“ ist das Gendoping. Ist/War es Thema? Wenn ja, in welchen Bereichen?

Eigentlich gibt es Gendoping schon lange. Es ist auch über pharmakologische Wege mit anabolen Steroidhormonen in unsere Gene einzugreifen. 

Aber unter Gendoping versteht man eigentlich, das einschleusen von DNA oder RNA Molekülen in den Organismus. Wir sprechen hier von einer permanenten Veränderung des Erbgutes und dies ist nicht reversibel. 

In der Medizin wird die Arbeit an Genen für therapeutische Zwecke genutzt. Genetische Krankheiten zu heilen ist das Ziel und dies steckt noch in den Kinderschuhen. Es ist naheliegend, dass sich daraus auch eine weiterer Zweig entwickelt, das Gendoping. Doch hier geht es um die Steigerung von Leistung. 

Schier grenzenlose Steigerung von Ausdauer, Kraft und Regenerationsfähigkeit ohne permanent Steroide einnehmen zu müssen, das klingt für viele wie ein Traum.   

In Österreich ist Gendoping noch kein Thema. Dafür ist es zu früh.

Der Entwicklungsstand ist nicht weit genug, die Kosten wären (zumindest für den Breitensport) noch zu hoch und der Zugang zu klassischen pharmakologischen Mitteln ist hingegen einfach, kostengünstig und leider enorm effektiv.   

7) Welchen „Ruf“ hat Gendoping? Ist der Reiz präsent, sich zum perfekten Sportler/Körper zu formen/dopen?

Gendoping wird in der Szene kaum diskutiert, die Möglichkeiten sind sehr eingeschränkt. Es fehlen die Zugänge, spezifisches Wissen und schlussendlich ist die Wissenschaft noch nicht weit genug. Diejenigen die mit dem Gedanken spielen, glauben Gendoping sei die “Eierlegende Wollmilchsau” der Leistungsoptimierung. Ein kleiner Eingriff und man produziert ein Leben lang mehr Muskeln oder rote Blutkörperchen. Und das ganze ohne Nebenwirkungen. Das ist natürlich ein Irrglaube. 

Man bedenke, wer klassische Pharmakologische Mittel einnimmt, stoppt die Wirkung mit dem Absetzen weitgehend. Bei Gendoping ist dies nicht der Fall, es ist nicht reversibel, somit auch die Produktion des gewünschten Stoffes nicht mehr zu stoppen. Die Langzeitfolgen sind nicht abzusehen. 

8) Gerade das Bodybuilding kommt oft in Verbindung mit Doping in die Medien, sei es in Sachen Steroide oder nun eben mit Gendoping, konkret mit Myostatin-Blockern. Wie sind deine Informationen hierzu?

Abgeleitet wurde diese Gedanken durch die Geburt eines Kindes in Berlin, mit genau dieser Genexpression. Der Junge hatte bei seiner Geburt schon sichtlich ausgeprägte Muskulatur und mit vier Jahren doppelt so viel Kraft wie gleichaltrige Kinder. 

Dies war zuvor nur bekannt bei Rinderarten wie dem “Weißblauen Belgier”. Die Rasse gilt als genetisches Wunder, mit vielen gesundheitlichen Nachteilen. 

Auf Basis Medizinischer Anwendung würde so ein Medikament sicher sinnvoll sein, um Menschen mit Muskelerkrankungen zu helfen. 

9) Neben dem indirekten Gendoping ist in der Medizin auch das direkte (=gezielte Veränderung des Genoms) Thema – allerdings in Verbindung mit dem Wunsch, Krankheiten wie Krebs zu heilen. Doch, so die Meinung: Was medizinisch erforscht wird, wird schnell missbraucht. Sind diejenigen, die dopen wollen denjenigen, die es verbieten wollen immer einen Schritt voraus?

Hier sei gesagt, Gendoping wurde von der internationalen Doping Agentur bereits auf die schwarze Liste genommen, bevor es überhaupt möglich wurde. 

Am Anfang sind Menschen die im Sport Missbrauch damit betreiben den kontroliierenden Behörden immer einen Schritt voraus. Aber es wurde noch für jedes Mittel ein Test zum Nachweis entwickelt. Das wird bei Gendoping nicht anders sein. Möglich ist auch, dass neue und komplexe Dopingarten erst viel später aber dafür auch rückwirkend nachgewiesen werden können. Was dann passieren kann, ist das Medaillen Jahre später aberkannt werden. Der dopende Sportler muss dieses Risiko immer im Hinterkopf behalten. 

10) Wie andere Arten des Dopings hat/hätte auch Gendoping negative Folgen für den Körper, allen voran im Autoimmunbereich. Wird es dennoch in Kauf genommen? Warum?

In Sportarten wie Bodybuilding ist das Streben nach immer mehr Muskeln schier unendlich. Vielen ist nicht bewusst, dass unser Körper aber nicht unendlich belastbar ist. Stellen Sie sich vor, auf die bereits heute massiven Körper der Profi-Bodybuilder durch Gendoping noch weitere 10-20kg mehr Muskeln packen zu können. Das ist nicht unrealistisch! Aber als nächstes müssen sie dann Knochen und Sehnen-Bandapparat dopen, denn diese würden unter diesen neuen Lasten brechen oder reisen. 

Jeder Sportler der langfristig Dopingmittel einnimmt, sollte sich der Risiken bewusst sein. Die meisten nehmen dies in Kauf um Ästhetik zu verbessern oder Leistung zu steigern. Abhängig vom Persönlichkeitstypus würden manche Menschen alles tun um beispielsweise den Titels des Weltmeisters in ihrer sportlichen Disziplin zu tragen. Wie in allen Bereichen wo es um viel Geld und Anerkennung geht, wird auch im Sport teilweise betrogen und sogar Gewalt genutzt um Konkurrenz auszuschalten. Im Sport ist da nicht anders als in Politik und Wirtschaft, Fairness wird nicht immer groß geschrieben. Was definitiv nicht dem Olympischen Gedanken entspricht. 

11) Jeder zweite Hochleistungssportler wäre bereit, innerhalb von fünf Jahren zu sterben, wenn ihm die Einnahme eines Dopingmittels eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen garantieren würde. So lautete das Ergebnis einer Umfrage, die der US-Mediziner Bob Goldman 1982 vornahm. Er wiederholte die Befragung in Abständen von zwei Jahren bis 1995. Die Ergebnisse waren stets ähnlich. Glaubst du, Athleten würden 2018 immer noch so antworten?

Ich bin der Meinung, wenn Sie jemanden auf diesem Niveau die Chance bieten Gold zu gewinnen, aber er oder sie muss ein Dopingmittel einnehmen welches nicht nachgewiesen werden kann aber die Lebenserwartung einschränkt, würden viele zustimmen. Für uns ist die Motivation hinter solchen Gedanken kaum nachvollziehbar, aber für andere Menschen haben Erfolge dieser Art eine ganz andere Bedeutung. In Ländern wie Russland werden Olympia Medaillenträger ganz anders honoriert als beispielsweise in Österreich.    

12) Gibt es Dinge in Zusammenhang mit Gendoping, die ich nicht angesprochen habe, die aber aus deiner Sicht noch wichtig zu erwähnen wären?

Nein. 

Teilen:

Facebook
Twitter
Pinterest
LinkedIn
Richard Staudner

Weitere Beiträge